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Dienstag, 30 April 2024 13:00

Brief aus England

von
Geschätzte Lesezeit: 8 - 15 Minuten
Abb. 1: Rotschlamm – ein unerwünschtes Material Abb. 1: Rotschlamm – ein unerwünschtes Material Foto: Chemistry World

Im Gerichtshof 1

Was auch immer in der Welt passiert – Krieg, Hungersnot, Erdbeben.... Die Anwälte sind immer beschäftigt. Die letzten Monate waren da keine Ausnahme. Vor über anderthalb Jahren wurden die Nordstream-Pipelines zwischen Russland und Deutschland beschädigt. Schwedische Taucher fanden Spuren von Sprengstoff, so dass kein Zweifel besteht, dass sie sabotiert wurden. Aber von wem? Russland, die Ukraine, die USA und Großbritannien wurden beschuldigt, aber nichts konnte bewiesen werden. Obwohl die deutsche Wirtschaft gelitten hat, hat Russland durch den Verlust von Gas­exporten Milliarden Euro verloren. Jetzt verklagt ein Energieunternehmen, die Nord Stream AG mit Sitz in Zug, Schweiz, Lloyds of London und Arch Insurance auf 400 Millionen Euro. Die Kosten für die Reparatur der beiden Pipelines werden auf 1,2 bis 1,35 Milliarden Euro geschätzt.

Das Schweizer Unternehmen behauptet, dass die Sabotage von Nordstream 1 und 2 als zwei getrennte Vorfälle behandelt werden sollten, was den Wert ihrer Forderung erhöhen würde. Ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest. Viele Versicherungspolicen schließen sogen. „Kriegshandlungen“ aus. War dies eine Kriegshandlung? Die deutsche Industrie und die Regierung haben eine hervorragende Leistung vollbracht, indem sie in kürzester Zeit eine neue Erdgaslieferkette aus dem Nahen Osten aufgebaut haben. Der Preis dafür ist nicht bekannt, und das Erdgas muss vor der Verladung auf Tankschiffe verflüssigt und dann nach Deutschland transportiert werden. Haben die beiden Pipelines also eine Zukunft? Solange Russland die Ukraine angreift wohl eher nicht. Und jetzt, da eine Lieferkette aus dem Nahen Osten eingerichtet wurde, die gut zu funktionieren scheint, werden viele dafür plädieren, dass sie fortgesetzt wird. Um auf die Nordstre­am-Pipelines zurückzukommen: Wer würde die enormen Kosten für ihre Reparatur bezahlen? Ihre Zukunft ist ungewiss - aber die Anwälte werden noch viele Monate lang beschäftigt sein.

Im Gerichtshof 2

KI kann wunderbare Dinge tun – und wird jede Woche besser. Aber – wie bei jeder neuen Technologie, die auf Dampfmaschinen zurückgeht – gibt es Gewinner und Verlierer. Letzten Sommer streikten Tausende von Beschäftigten in Hollywood. Zum Teil wollten sie eine Gehaltserhöhung. Aber sie protestierten auch gegen den zunehmenden Einsatz von KI in der Filmbranche. KI kann nun menschliche Schauspieler ersetzen, was zu Arbeitsplatzverlusten führt. Erlauben Sie mir, die Situation zusammenzufassen. KI beginnt in der Regel mit der Erstellung von sogenannten LLM – Large Language Models. Nicht Millionen, sondern Hunderte von Millionen, vielleicht sogar Milliarden Seiten aus Zeitungen, Zeitschriften und Büchern werden in eine Datenbank eingescannt. Dies ist an sich schon ein sehr teurer Prozess. Das bloße Einscannen und Speichern solcher Daten scheint jedoch nach den geltenden Gesetzen nicht illegal zu sein. Mit Hilfe der KI kann dieser riesige Datenbestand, einschließlich Bildern und Tönen, menschlichen Stimmen und Musik, genutzt werden, um völlig neue Inhalte zu schaffen, die – weil sie neu sind – nicht gegen das Urheberrecht verstoßen. Doch ohne den ursprünglichen Input – z. B. von der Frankfurter Allgemeinen – wäre dieser Prozess nicht möglich. So drohen nun Dutzende von Prozessen, in denen die Urheber von Originalinhalten die KI-Unternehmen verklagen. Vor ein paar Wochen wurden 50 Briefe an Unternehmen wie Google Deep Mind, Meta (Eigentümer von Facebook) und OpenAI (Eigentümer von ChatGPT) verschickt. In den USA hat der Autorenverband (Authors Guild) einen Prozess angestrengt, während Getty Images Stability AI verklagt, weil das Unternehmen Bilder mit der Verwendung der Bilddatenbank von Getty erstellt hat. Universal Music verklagt Anthropic und die New York Times verklagt OpenAI. In England verklagt die Musikindustrie Vocify (firmiert als „Jammable“), das KI einsetzt, um gefälschte Darbietungen berühmter lebender und toter Sänger zu erstellen. Dies sind nur einige der Verfahren, die bereits eingeleitet wurden oder demnächst eingeleitet werden.

Wir haben es also mit einer Situation zu tun, in der nach den geltenden Gesetzen nichts Illegales geschieht und keine Urheberrechte verletzt werden. Dennoch wird moralisch gesehen Geld mit Material verdient, das andere geschaffen haben. Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, dass die Richter das Gesetz so auslegen müssen, wie es ist – und das scheint die KI-Unternehmen zu begünstigen. Nur die Regierungen haben meiner Meinung nach die Macht, das Gesetz zu ändern. Man kann nur hoffen, dass sie dies tun werden. In der Zwischenzeit gehören Anwälte zu den größten Nutzern von KI, und dort wird es wahrscheinlich zu Arbeitsplatzabbau kommen. Das Gleiche gilt für Wirtschaftsprüfer. KPMG, eine der größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt, hat im Zuge der Einführung von KI erhebliche Arbeitsplatzverluste vorausgesagt. Einer der weltweit größten Verlage, Reed Elsevier, jetzt bekannt als Relx, mit 33.000 Angestellten, bietet jetzt eine Reihe von KI-Produkten unter seinem „LexisNexis“-Banner an. Ich glaube nicht, dass KI einen großen Einfluss auf unsere Branche haben wird – sie wird zur Vorhersage von Ausfällen in Pumpen und anderen Maschinen eingesetzt, aber – wer weiß – vielleicht irre ich mich ja.

Ein neuer Weg zu grünem Stahl?

Die konventionelle Stahlerzeugung in Hochöfen ist eine große Quelle von Treibhausgasen, und weltweit gibt es viele Bemühungen, diese alte Technologie zu ersetzen. Deutschen Wissenschaftlern gebührt Lob dafür, dass sie daran arbeiten, zwei Probleme gleichzeitig zu lösen. Bei der Aluminiumproduktion entsteht als Abfallprodukt sogenannter „Rotschlamm“ (Abb. 1). Dieser entsteht beim Bayer-Verfahren, bei dem Bauxit mit Alkali behandelt wird, um Natriumaluminat zu bilden. Red Mud ist der Rückstand, der dabei entsteht, und derzeit gibt es etwa 4,5 Milliarden Tonnen davon, die jedes Jahr um ca. 180 Millionen Tonnen wachsen.

Bislang hat man dafür keine Verwendung gefunden. Im Jahr 2010 stürzte ein riesiges Becken in Ungarn, in dem dieses Abfallprodukt gelagert wurde, ein, wobei zehn Menschen ums Leben kamen und der Wiederaufbau ca. 120 Millionen Euro kostete. Jetzt glauben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf, dass Rotschlamm eine neue Quelle für die Eisenherstellung sein könnte. Professor Raabe und sein Team setzten Plasmachemie ein, um Eisen aus dem Rotschlamm zu gewinnen. Der Rotschlamm wurde in einen elektrischen Lichtbogenofen gegeben, in den ein Gemisch aus Wasserstoff und Argon eingeblasen wurde. Mit einer 200-A-Entladung wurde die Probe dann geschmolzen und der Wasserstoff ionisiert. Das so gewonnene Eisen war reiner als das aus einem Hochofen und ca. 98 % des im Rotschlamm enthaltenen Eisens wurden extrahiert. Jetzt ist geplant, das neue Verfahren in großem Maßstab anzuwenden.

M Jovicevic-Klug u. a. Nature (2024) Bd 625, S. 703.DOI 10.1038/s41586-023-06901-z

Elektromobilität

Es ist faszinierend, den Fortschritt der Technologie zu beobachten, sowohl als Technologe als auch als Verbraucher, und nirgendwo trifft dies mehr zu als bei der Entwicklung von Elektro­fahrzeugen. Vor einigen Wochen kündigte Toyota einen Durchbruch an – ein neues Material, das in einer Festkörperbatterie verwendet werden soll, um eine Reichweite von ca. 1500 km und eine Ladezeit von nur 10 Minuten zu erreichen. Diese neue Technologie wird für 2027 versprochen. Es scheint einen leichten Widerspruch zu geben, da Toyota an anderer Stelle eine Reichweite von nur 1200 km verspricht. Zum Vergleich: Das Tesla Model Y hat eine Reichweite von 530 km und eine Ladezeit von 15 Minuten mit dem Tesla Supercharger. Für 2022 kündigte Honda ein neues Polymergewebe an, das die Grundlage für seine Festkörperbatterie bilden soll, doch wurden bisher kaum weitere Informationen veröffentlicht. Bis die neue Batterie auf den Markt kommt, wird Toyota eine neue, kostengünstige bipolare Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie anbieten. Mit diesen Batterien verspricht Toyota eine Steigerung der Reichweite um 20­ % bei gleichzeitiger Senkung der Kosten um 40 % und einer Ladezeit von weniger als 30 Minuten. Das gesamte Toyota-Batterieprogramm ist zu kompliziert, um es hier darzustellen, aber über den folgenden Link erfahren Sie alle Einzelheiten.

https://media.toyota.co.uk/toyota-sets-out-advanced-battery-technology-roadmap

Und natürlich haben viele andere Batteriehersteller auf der ganzen Welt ähnliche Technologiepläne. Zwei Gedanken kommen mir in den Sinn. Erstens: wäre eine Reichweite von 1200 km sicher genug? Wir Menschen werden müde, lange bevor wir 1000 km zurückgelegt haben. Doch was ist, wenn der Pkw selbstfahrend ist? Zweitens: die kürzeren Ladezeiten. Was sehr selten gesagt wird, aber allen GT-Lesern klar sein dürfte ist, dass sie immer höhere Ströme bedeuten. Das bedeutet schwerere Ladekabel und immer größere Ohmsche Verluste. Die Batterie eines Elektroautos hat vielleicht ca. 70 kWh Kapazität. Wenn wir sie mit 200 Ampere und 200 Volt laden, sind das 40 KW – also 90 Minuten für eine 60 KWh Aufladung. Leser können ihre eigenen Strom-Spannungswerte verwenden, aber eines ist klar: dass sehr hohe Strom-Spannungswerte für eine 10-15-minütige Aufladung benötigt werden. Sind wir bereit, für diese Ohmschen Verluste zu bezahlen?

Fortschritte in der Kernenergie

Es gibt Dutzende von spannenden neuen Projekten für Kernkraftwerke, einige finden noch im Labor statt, andere bereits in Pilotanlagen. In den USA hat Kairos Power mit Sitz in Kalifornien jetzt die Genehmigung zum Bau eines Prototyps einer Kernkraftanlage erhalten. Sie wird die erste der Welt sein, die ein Kühlmittel aus geschmolzenem Salz verwendet. Die sog. „Hermes“-Technologie verwendet eine Mischung aus Lithium- und Berylliumfluoriden. Dieses Gemisch mit dem Namen „Flibe“ (Fluor-Lithium-Beryllium) bleibt bei 600 °C eine stabile Flüssigkeit und bietet daher viele Vorteile gegenüber Druckwasser, das in vielen bestehenden Reaktoren verwendet wird und bei ca. 300 °C und einem Druck von 1,5 MPa arbeitet. Der Bau wird nächstes Jahr an einem Standort im US-Staat Tennessee beginnen. Der Betrieb bei höheren Temperaturen macht jede Anlage effizienter. Die Salzschmelzen von Flibe reagieren nicht heftig mit Luft oder Wasser und zersetzen sich auch nicht, wenn sie Strahlung ausgesetzt werden, und haben eine größere spezifische Wärme als Wasser. Bei der Hermes-Technologie wird ein sogenannter „Kieselsteinreaktor“ verwendet. In diesen Kieselsteinen ist der Uran­brennstoff in einer mit Graphit beschichteten SiC-Struktur von der Größe eines Tennisballs eingekapselt. Die Anlage soll im Jahr 2026 fertiggestellt werden. Abbildung 2 zeigt, wie die Anlage aussehen wird.gt 2024 04 208Abb. 2: Schaubild der Kairos-Kernkraftreaktoranlage mit geschmolzenem Salz

Der Marsch der Roboter

Der US-Riese Nvidia ist bekannt als führender Hersteller von Chips, nicht zuletzt derer, die in KI-Anwendungen eingesetzt werden. Das Unternehmen engagiert sich zunehmend in der Entwicklung von Robotern. Viele von ihnen haben – wie wir – zwei Beine und Arme und sogar einen Kopf. Das Ziel von Nvidia ist es, Roboter zu entwickeln, die einfach und leicht Menschen ersetzen, z. B. in einem Lagerhaus – und die von KI angetrieben werden. Der Name für solche Roboter ist „Humanoid“. Nvidia hat ein neues Roboter-Betriebssystem entwickelt. Es gibt heute Dutzende von Robotikunternehmen, die meisten von ihnen in der San Francisco Bay Area. Silicon Valley Robotics (www.svrobo.org ) ist der Dachverband. Auf der Website finden sich Links zu zahlreichen Berichten, in denen die neuesten Entwicklungen beschrieben werden. Allein in den USA gibt es heute 600.000 offene Stellen für Lagerarbeiter, und Unternehmen wie Agility Robotics (www.agilityrobotics.com) ­setzen hier an. Ihr bipedaler (zweibeiniger) Roboter heißt „Digit“. Ein weiteres führendes Unternehmen ist www.figure.ai. Beide Unternehmen (und viele andere) haben Videos auf ihren Websites, die ihre Roboter in Aktion zeigen. Experten sind der Meinung, dass diese Roboter in nur 2-3 Jahren weit verbreitet sein könnten. Abbildung 3 ist ein Screenshot aus einem Video der Website von Agility Robotics.gt 2024 04 209Abb. 3: Ein humanoider Roboter bei der Arbeit

Fazit: Mit der KI auf der einen und der Robotik auf der anderen Seite scheinen wir am Rande einer bedeutenden Revolution zu stehen. Eine Frage, die selten gestellt wird, ist die, wie humanoide Roboter mit Energie versorgt werden sollen. Werden sie Batterien haben? Oder werden sie mit langen Kabeln an Steckdosen angeschlossen, was ihre Bewegungsfreiheit einschränken würde? Und wenn solche Roboter menschliche Arbeiter ersetzen, werden sie auch eine neue Generation von „Roboteringenieuren“ benötigen. Wenn wir den Experten glauben, wird der Wandel schon bald kommen.

Kerosin aus Abfällen

Eine britische Firma hat ein Verfahren zur Herstellung von Kerosin aus Haushaltsabfällen entwickelt und nennt sich ­sich Fir­efly Green Fuels (https://flyfirefly.uk). Das Verfahren beginnt mit Klärschlamm. Er wird dann in einen öligen Feststoff und schließlich in Kerosin umgewandelt. Der neue Treibstoff wurde vom DL­R-Institut für Verbrennungstechnik getestet, was darauf schließen lässt, dass es sich um einen völlig akzeptablen Flugzeugtreibstoff handelt. Nach Angaben des Unternehmens erzeugt jeder Mensch genug Abfall, um ca. 4 Liter Kerosin pro Jahr zu produzieren. Damit könnten ca. 5 % des britischen Bedarfs gedeckt werden. Ja, dieser Prozess verwandelt ein Abfallprodukt in etwas Wertvolles. Aber sollten wir das ernst nehmen? Das muss jeder Leser für sich selbst entscheiden!

Grün werden – aber wie?

Alle sind sich einig, dass die Gewinnung von Sonnenenergie ein Schlüsselelement jeder „grünen Strategie“ ist. Die EU hat kürzlich Pläne angekündigt, die europäische Solarkapazität bis 2030 auf 672 GW zu verdreifachen. Im Rahmen des „Green Deal Industry Plan“ der EU sollten 40 % der Solarmodule hier in Europa hergestellt werden. Doch leider ist die Herstellung von Solarmodulen in Europa fast völlig zusammengebrochen, und China dominiert jetzt das weltweite Angebot dieser Geräte. Im Jahr 2023 stammten 97 % der in Europa installierten Solarmodule aus China. Tatsächlich produzieren chinesische Hersteller weit mehr Paneelen als sie verkaufen können. Der European Solar Manufacturing Council (ESMC) hat vor einem fast vollständigen Zusammenbruch der Branche gewarnt. So meldete das niederländische Unternehmen Exasun im Januar dieses Jahres Konkurs an, und auch das österreichische Unternehmen Energetic befindet sich in Schwierigkeiten. Die weltweiten Solarinstallationen belaufen sich derzeit auf ca. 400 GW/Jahr. Die chinesische Produktion von Solarmodulen liegt bei ca. 1100 GW/Jahr. Es wird geschätzt, dass die Lagerbestände an Solarmodulen in europäischen Lagern, die auf ihre Installation warten, ca. 90 GW betragen. In China kündigte der größte Hersteller von Solarmodulen, Longi, kürzlich an, dass ein Drittel der Belegschaft ihren Arbeitsplatz verlieren würde. Die Kosten für Solarmodule haben sich seit 2015 mehr als halbiert, von ca. 1,5 Millionen Euro/MW auf heute 650.000 Euro/MW.

In weiten Teilen Europas wird der Bau von Solarparks abgelehnt, weil er den Verlust von landwirtschaftlichen Flächen bedeutet. Aber im Nahen Osten und in Indien werden Solarparks in Wüsten gebaut, also auf Flächen, die sonst keine Verwendung finden. Abbildung 4 zeigt einen Teil des indischen Bhadla-Solarparks, der sich über 56 km2 erstreckt und ca. 2,2 GW produziert, was ihn zu einem der größten der Welt macht. Alles in allem ist es eine seltsame Situation. Solarmodule haben eine Lebensdauer von ca. 20 Jahren, und es wird die Zeit kommen, in der zumindest hier in Europa der Markt gesättigt ist und die Hersteller ihre Produktion drosseln müssen, wie es in China bereits der Fall ist. Werden wir jemals in der Lage sein, die Industrie in Europa wieder aufzubauen, vielleicht mit Hilfe von Robotern, um mit den niedrigen Lohnkosten in China zu konkurrieren? Aber – wie Abbildung 5 zeigt – setzen die Chinesen bereits Roboter für die Produktion von Solarzellen ein. Wie ein europäischer Experte sagte: „Das Schiff ist abgefahren“.

gt 2024 04 211Abb. 4: Teil des indischen Solarparks Bhadla in Indien

gt 2024 04 210Abb.5: Herstellung von Solarmodulen mit Robotern in einer chinesischen Fabrik

„Grüner“ Ammoniak

Das Haber-Bosch-Verfahren, bei dem Stickstoff und Wasserstoff zu Ammoniak umgewandelt wird, ist ca. 110 Jahre alt. Es ist zweifellos einer der wichtigsten chemischen Prozesse der Welt und ohne die aus dem Ammoniak hergestellten Düngemittel wäre die Ernährung der Weltbevölkerung nicht möglich. Bei dem Prozess wird allerdings auch viel CO2 freigesetzt – vielleicht 2 % der weltweiten Treibhausgase. Deshalb gibt es weltweit Versuche, Ammoniak auf alternativen Wegen herzustellen. Erneuerbare Energien sind per definitionem unstetig, und wenn das Haber-Bosch-Verfahren nicht kontinuierlich betrieben wird, zersetzt sich der verwendete Katalysator. Ammoniak ist zwar ein wichtiger Bestandteil von Düngemitteln, wurde aber in den letzten Jahren zunehmend als Brennstoff oder als Energiespeicher erkannt. Daher ist die Herstellung von „grünem“ Ammoniak heute wichtiger denn je. Zahlreiche Unternehmen entwickeln Wege zu „grünem“ Ammoniak. Wer weiß, welche davon erfolgreich sein werden? Eines davon ist Starfire Energy (www.starfireenergy.com) mit Sitz in Colorado, USA. Seine Methode besteht darin, Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser zu erzeugen und ihn dann mit Stickstoff in einem mit Katalysatoren bestückten Wabenreaktor umzusetzen. Ein weiteres Unternehmen ist Atmonia (https://atmonia.com) mit Sitz in Finnland. Sein Verfahren besteht aus einer einzigen elek­trochemischen Reduktion von Stickstoff und der Erzeugung von Wasserstoff. Jupiter Ionics (https://jupiterionics.com) hat seinen Sitz in Australien und verwendet den sogen. MacFarlane-Simono­v-Elektrolyseur. Auf der einen Seite wird Wasser zugeführt, auf der anderen Seite Stickstoff, und es entsteht Ammoniak. Lithiumnitrid wird als Moderator verwendet. Mehrere dieser Projekte sind in einem Standardcontainer untergebracht. Dies sind nur einige von vielen Projekten dieser Art. Ammoniak als Brennstoff ist Gegenstand zahlreicher FuE-Projekte.

Fazit: Die Zukunft wird vielleicht nicht nur vom Stromerzeugung und -speicherung, sondern auch von einer „Ammoniakwirtschaft“ bestimmt.

    „On the use of ammonia as a fuel - A perspective“, Fuel Communications, Band 11, Juni 2022, 100064

    „Ammoniak als potenzieller Schiffskraftstoff: A review“, K Machaj u. a., Energy Strategy Reviews, Band 44, November 2022, 100926

    „Nitrogen reduction to ammonia at high efficiency and rates, based on a phosphonium proton shuttle“, Suryanto, B. H. u. a., Science, Bd 372, No. 6547

Vergrabene Schätze

Seit dem Beginn der Zivilisation haben wir der Erde die Materialien entnommen, die wir für unsere Zivilisation benötigen. Metalle, von Gold bis Eisen, und Nichtmetalle wie Kohle und Öl. Dazu gehört auch Gas, wie Erdgas und – obwohl es kaum bekannt ist – Helium, das in Ostafrika gefunden wird. Doch jetzt entwickelt sich eine völlig neue Suche und eine neue Technologie: die Gewinnung von Wasserstoff aus unterirdischem Gestein. Gentech, ein Unternehmen mit Sitz in London (https://hydrogengentech.com), kartiert die Vorkommen auf der ganzen Welt und plant, Wasserstoff aus ihnen zu gewinnen. Wasserstoff kann in bestimmten Gesteinsschichten, insbesondere in Ophiolithen, eingeschlossen vorkommen. Solche Vorkommen sind im Oman, in Mali, im mittleren und südlichen Teil der USA und in Großbritannien bekannt. Ein anderes Unternehmen, Gold Hydrogen, hat H2-Vorkommen auf der Yorke Peninsula in Südaustralien entdeckt. Anfang dieses Jahres stieg auch das US-Unternehmen Koloma (https://koloma.com), das von Bill Gates von Microsoft finanziert wird, in dieses Geschäft ein. Nach Angaben des US Geological Survey Department könnte der sogenannte „Weiße Wasserstoff“ für Hunderte von Jahren reichen. Dieses ganze Konzept könnte die weltweite Energieszene verändern – oder sich als Sackgasse erweisen. Die Antwort erfahren wir vielleicht in 2-3 Jahren.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 4
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Dr. Anselm T. Kuhn

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