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Montag, 04 September 2023 12:59

Kohlenstoffschichten – was sie können, wo Experten tagen

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Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten
Abb. 1: a) Unbeschichteter und mit 4 µm Diamant haftfest beschichteter Stahlgleitring; b) lichtmikroskopische Aufnahme einer 15 µm dicken Diamantschicht auf Stahl im Querschliff Abb. 1: a) Unbeschichteter und mit 4 µm Diamant haftfest beschichteter Stahlgleitring; b) lichtmikroskopische Aufnahme einer 15 µm dicken Diamantschicht auf Stahl im Querschliff (alle Abb. EFDS)

So vielfältig wie sich Kohlenstoff in der Natur bzw. in technisch hergestellten Werkstoffen präsentiert, so breit ist auch dessen Anwendung. Zu den Modifikationen gehören die kristallinen Formen Grafit, Diamant- sowie Graphen und amorphe Kohlenstoffe (auch: Diamond-Like Carbon, DLC). Dünne Kohlenstoffschichten in Form von amorphen Schichten mit hoher Mikrohärte reduzieren Reibung und Verschleiß z. B. bei Schneidwerkzeugen, medizinischen Instrumenten, Implantaten, industriellen Bauteilen, wie Kolben und Zahnräder oder Uhrenkomponenten [1]. Ein Überblick zu aktuellen Projekten und Events der Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten EFDS.

Kohlenstoffschichten – grundverschiedene Strukturen vielseitig einsetzbar

Im Vergleich zu den amorphen Schichten weisen kristalline Chemical Vapour Deposition (CVD)-Diamantschichten eine noch deutlich höhere Härte und Verschleißbeständigkeit auf. Durch die hohen Abscheidetemperaturen kann eine bessere Haftung auf den Substraten erreicht werden. Es können jedoch nicht alle Materialien mit Diamantschichten versehen werden, da die hohen Prozesstemperaturen das Spektrum der beschichtbaren Werkstoffe einschränken. Aber auch in diesem Bereich zeigen aktuelle Forschungsergebnisse Möglichkeiten auf, wie durch mikrostrukturierte Oberflächen neue Anwendungspotenziale für die CVD-Diamantbeschichtung erschlossen werden können.

Ein weiteres Beispiel für Kohlenstoffmodifikationen stellen Graphene dar. Die besonderen Eigenschaften des Werkstoffs, wie eine außerordentlich hohe Zugfestigkeit, ein hohes Elastizitätsmodul und seine elektrischen Eigenschaften, ermöglichen vielfältige Anwendungen, zum Beispiel in der Energietechnik.

Die Europäische Forschungsgesellschaft Dünne Schichten – EFDS – e. V. mit Sitz in Dresden begleitet Forscher sowie Anwender bei deren aktueller Forschung und Entwicklung im Themenfeld. Die Forschungsthemen werden in entsprechenden Fachveranstaltungen vorgestellt und diskutiert. Diese bieten einen sehr guten Überblick zu innovativen Entwicklungen und dem Stand der Technik. Hier treffen sich die Experten sowie Interessenten und tauschen sich zu ihren Fragen aus. In Fachausschüssen der EFDS werden Forschungsthemen diskutiert und für die Industrie passend in Projekten der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF ausgerichtet. Die Ergebnisse der Forschung werden auf internationalen Konferenzen, wie der V2023 (18.–21. September) oder der PSE2024, vorgestellt. In offener Atmosphäre können sich hier Experten sowie Anwender über Beschichtungslösungen austauschen, Möglichkeiten diskutieren und neue Kooperationen initiieren.

CVD-Diamantschichten auf Gleitringen aus Stahl Aktuelle Forschung aus dem Fachausschuss Tribologische Systeme der EFDS

Diamantschichten zeichnen sich durch eine sehr hohe Härte, Verschleiß- sowie chemische Beständigkeit aus und deren Einsatz ist mit geringen Reibwerten verbunden. Sie unterscheiden sich in vielen Aspekten von amorphen Kohlenstoffschichten. Die Diamantschichten werden z. B. durch chemische Abscheidung aus der Gasphase (CVD) bei Temperaturen um ca. 800 °C erzeugt. Bisher war eine Applikation der CVD-Diamantschichten auf Stahl nicht möglich, da das Eisen im Stahl die grafitische Kohlenstoffabscheidung fördert sowie der große Unterschied des Wärmeausdehnungskoeffizienten von Stahl gegenüber Diamant zu sehr starken Abkühleigenspannungen und damit zu Schichtdelaminationen führt. Im Forschungsvorhaben „Haftfeste CVD-Diamantschichten auf Gleitringen aus Stahl“ konnten die Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erstmals erfolgreich eine 15 μm dicke CVD-Diamantschicht auf einer deterministisch mikrostrukturierten Stahloberfläche stabil abscheiden. Die Schicht hielt über einen Nasslaufweg von 120 km bei einer nominellen Flächenpressung von 6,4 MPa sowie einem Gleitreibwert von weniger als 0,01 (Abb. 1).

Gleitringe kommen in Gleitlagern, z. B. zum reibungsarmen Führen einer Welle, oder in Gleitringdichtungen zum Einsatz. Letztere dienen der Abdichtung von Wellendurchführungen, wie bspw. in Kompressoren. Bei axialen Gleitlagern wird der rotierende Gleitring an den stationären Gegenring gepresst. Dadurch resultiert zwischen den beiden Gleitflächen von Gleit- und Gegenring ein mechanisch hochbelasteter Kontaktbereich, welcher für die Dichtwirkung entscheidend ist. Bei besonders stark belasteten Gleitringen in axialen Gleitringdichtungen werden z. T. Komponenten aus SiC eingesetzt, welche zusätzlich mit CVD-Diamant beschichtet sind. Dies bietet deutliche Vorteile, u. a. gegenüber ebenfalls industriell verwendeten Stahlkomponenten mit DLC-Beschichtung. SiC-Gleitringe sind jedoch stark bruchanfällig und sehr teuer. Somit rücken CVD-Diamantschichten auf Stahl in den Fokus.

Die bei der CVD-Diamantbeschichtung von Stahl beim Abkühlen entstehenden starken Druckeigenspannungen in der Diamantschicht konnten mit mikrostrukturierten Oberflächen, die durch ultraschallschwingungsüberlagertes Drehen generiert wurden, lokal reduziert werden. Auf diese Weise konnte über eine gezielte Auslegung und Erzeugung der Feingestalt bei der spanenden Endbearbeitung der Funktionsflächen eine Erhöhung der Haftfestigkeit zwischen Substrat und Schicht ermöglicht werden.

In Deutschland existieren viele KMU, die in Einzelfertigung bzw. in geringen Stückzahlen spezielle Gleitringe für sehr unterschiedliche Anforderungsregime herstellen. Diese neuartige Technologie ist einerseits für spezialisierte industrielle Beschichtungsunternehmen (meist KMU) interessant, andererseits auch für Großunternehmen, die schon DLC-Schichten auf Stahlbauteilen in Millionenstückzahlen abscheiden oder verwenden. Weiterhin gibt es viele KMU, welche Hochleistungsgleitringe, z. B. aus SiC, in kleineren Stückzahlen produzieren und somit diese neue Technologie in den Markt bringen können [2].

Dieses Projekt wurde durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert (Vorhaben 20584 BG, Projektlaufzeit: 01.07.2019 – 31.12.2021). Informationen zu diesem und weiteren Projekten der Industriellen Gemeinschaftsforschung können Interessenten regelmäßig in den EFDS-Fachausschüssen erhalten und so frühzeitig Einblicke in aktuelle Entwicklungen nehmen, um ihre Lösungen für die Zukunft frühzeitig kennenzulernen.

DLC-Beschichtungen in der Medizintechnik

Diamond-Like-Carbon-Beschichtungen stellen eine weitere Form von Kohlenstoffschichten dar und finden zum Beispiel in der Medizintechnik Anwendung. Insbesondere ihre tribologischen sowie chemischen Eigenschaften zeichnen diese Schichtsysteme aus und ermöglichen Implantate mit hohen Lebenszyklen, biokompatiblen Oberflächen und Verhinderung des Austretens von toxischen Bestandteilen des Grundmaterials. Die konkreten Eigenschaften der Schichtsysteme hängen dabei sehr stark von der Herstellungstechnologie und den Beschichtungsbedingungen ab, die sich auf die Struktur der entstehenden Schichten auswirken. DLC-Schichten haben eine amorphe Struktur, die sich durch ein Gemisch aus sogenanntem sp1-, sp2- und sp3-hybridisiertem Kohlenstoff auszeichnet. Je nach Zusammensetzung der Phasen variieren auch die resultierenden Eigenschaften. Dabei begünstigen sp2-Kohlenstoffzentren einen niedrigen Verschleißkoeffizienten und eine gute elektrische Leitfähigkeit des Materials, während sp3-hybridisierte Atome die chemische Inertheit, die Härte und die Verschleißschutzeigenschaften positiv beeinflussen. Dementsprechend ist die verwendete Technologie zur Herstellung der Schicht entscheidend für das entstehende Produkt [3, 4].

Weiterhin können DLC-Schichten durch Dotierung mit verschiedenen Elementen hinsichtlich industriell relevanter Eigenschaften multifunktional gestaltet werden. Mit Silber und Kupfer lässt sich eine antibakterielle Wirkung gegenüber Mikroorganismen erreichen [3]. Mit Silicium können die Adhäsion und die thermische Stabilität von Schichten verbessert werden. Chrom sowie Titan erhöhen die Korrosionsbeständigkeit und vermindern Spannungen in den Schichten, was zu einer stärkeren Haftung und höherer Haltbarkeit der Schicht führt [5].

Inzwischen sind DLC-Schichten in der Medizintechnik bereits kommerziell etabliert und sie werden in verschiedenen Varianten von unterschiedlichen Firmen angeboten. Dennoch gibt es zahlreiche Ansätze, diese Schichtsysteme weiterzuentwickeln.

Aktuelle Arbeiten zu diesen und weiteren Beschichtungsmöglichkeiten stellen Firmen und Forschungspartner auf der V2023 im Rahmen des internationalen Workshops „Coatings for biomedical applications“ vom 18.–21. September 2023 in Dresden vor. Begleitet wird der Workshop von einer Industrieausstellung, in der über 60 Firmen ihre aktuellen Produkte rund um die Oberflächentechnik, Vakuumtechnik und dazu passende Messtechnik sowie Verbrauchsmaterialien präsentieren.

Abb. 2: Workshoop „Implantate – Wenn die Antwort in der Schicht steckt“ vom 27. – 28. Februar 2024 in TuttlingenAbb. 2: Workshoop „Implantate – Wenn die Antwort in der Schicht steckt“ vom 27. – 28. Februar 2024 in Tuttlingen

Das Thema wird weiterführend auch im Workshop „Implantate – Wenn die Antwort in der Schicht steckt“ vom 27.–28. Februar 2024 in Tuttlingen behandelt (Abb. 2). Auf diesem Workshop mit anschließender Sitzung des EFDS-Fachausschusses Biomedizintechnik werden aktuelle Forschungsthemen kombiniert mit industriell umgesetzten Lösungen vorgestellt.

Graphen in der Mikroelektronik und Energietechnik

Seit Jahrzehnten geht der Trend in der Mikro- und Optoelektronik zur Miniaturisierung von Strukturen, Komponenten und Systemen. Daraus resultieren sehr hohe Anforderungen an die Eigenschaften der verwendeten Materialien und die Verfahrenstechnik zur Herstellung entsprechender Funktionsgruppen sowie deren Integration. Bauelemente müssen hohe Ansprüche an Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit erfüllen. Durch innovative Fertigungstechnologien entstehen energieeffiziente und nachhaltige Produkte mit längerer Halt- und Belastbarkeit. Neue Schichtsysteme basierend auf Graphen und Kohlenstoffnanoröhren (Carbon Nanotubes, CNT) sowie durch Dotierung modifizierte Materialsysteme werden hier als Hoffnungsträger gesehen [6]. Neue Materialien müssen in bestehende Silicium-basierte Systeme integriert werden. Hieraus ergeben sich zahlreiche Herausforderungen bezüglich der Komplexität der Systemintegrationstechnologien. Darüber hinaus erfordern sie innovative Prozesse und Anlagen.

Abb. 3: Workshop „Thin film technologies | 2.5D materials for energy“ in Eindhoven vom 14. – 15. November 2023Abb. 3: Workshop „Thin film technologies | 2.5D materials for energy“ in Eindhoven vom 14. – 15. November 2023

Zu diesem Thema organisiert die EFDS vom 14.–15. November 2023 am High Tech Campus in Eindhoven gemeinsam mit den Wissenschaftlern der niederländischen Organisation für anwendungsorientierte Forschung TNO den Workshop „Thin film technologies | 2.5D materials for energy“, bei dem sich Akteure über aktuelle Forschungsthemen, neue Ideen sowie schon in Umsetzung befindliche Projekte in den Anwendungsfeldern Photovoltaik, Batteriesysteme, Elektrolyse, Sensorik, Optoelektronik und Optik informieren können (Abb. 3).

Eine Herausforderung liegt in der Integration einer Vielzahl von unterschiedlichen Komponenten und der technologischen Beherrschung der Materialien. Dies erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Materialforschung, Elektronikforschung und Ausrüstern / Systemlieferanten der Dünnschichttechnologie, um z. B. die folgenden Fragen zu beantworten: Wie lassen sich neue Materialien sowie Technologien in bestehende Bauteilkonzepte bzw. Prozessketten einbinden und welche Wechselwirkungen treten mit anderen Prozessschritten auf? Welche Verfahren zur Abscheidung sind für 2,5D-Materialien nutzbar und lassen sich diese für die Fertigung von Halbleiterprodukten skalieren?

Literatur

[1] D.K. Rajak; A. Kumar; B. Ajit; P.L. Menezes: Diamond-Like Carbon (DLC) Coatings: Classifications, Properties, and Applications, Appl. Sci., 11, 2021, 4445, https://doi.org/10.3390/app11104445
[2] Abschlussbericht CVD-Diamantschichten auf Gleitringen aus Stahl, IGF-Vorhaben 20584 BG, Projektlaufzeit: 01.07.2019 – 31.12.2021
[3] M. Birkett; A.W. Zia; D.K. Devarajan et al.: Multifunctional bioactive silver- and copper-doped diamond-like carbon coatings for medical implants, Acta Biomaterialia, https://doi.org/10.1016/j.actbio.2023.06.037
[4] K. Malisz; B. Swieczko-Zurek; A. Sionkowska: Preparation and Characterization of Diamond-like Carbon Coatings for Biomedical Applications – A Review, Materials, 16, 2023, 3420, https://doi.org/10.3390/ma16093420
[5] Q. Wang; F. Zhou; Z. Zhou; C. Wang; L.K.-Y. Li; S.-T. Lee: Effect of Titanium or Chromium Content on the Electrochemical Properties of Amorphous Carbon Coatings in Simulated Body Fluid, Electrochim. Acta, 112, 2013, 603–611
[6] A.R. Urade; I. Lahiri; K.S. Suresh: Graphene Properties, Synthesis and Applications: A Review, JOM, 75, 2023, 614–630, https://doi.org/10.1007/s11837-022-05505-8

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 8
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Dr. rer. nat. Katrin Ferse; Dipl.-Ing. Richard Börner; Dr.-Ing. Andreas Nestler; M.Sc. Thomas Helmreich; M.Sc. Sven Meschede; M.Sc. Maximilian Göltz; Prof. Dr.-Ing. habil. Stefan Rosiwal

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