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Mittwoch, 29 Mai 2024 13:00

Galvanische Verzinkung aus Geislingen

von
Geschätzte Lesezeit: 5 - 10 Minuten
Petra und Manuel Knoblauch vor dem Wareneingang ihres mittelständischen Betriebs. Die Unternehmer erfüllen den regionalen Bedarf bei der galvanischen Verzinkung Petra und Manuel Knoblauch vor dem Wareneingang ihres mittelständischen Betriebs. Die Unternehmer erfüllen den regionalen Bedarf bei der galvanischen Verzinkung Fotos: Robert Piterek

Knoblauch Galvanotechnik in Geislingen an der Steige ist eine typische mittelständische Galvanik. Hier werden Aufträge für die galvanische Verzinkung in der Region kalkuliert und pragmatisch auf kurzem Weg umgesetzt. Doch wie ist die Stimmung in der mittelständischen Galvano- und Oberflächentechnik und wo drückt der Schuh? Ein Blick ins Herz der Branche, wo mit engagiertem Unternehmergeist und galvanotechnischer Expertise die Herausforderungen der modernen Wirtschaftswelt jeden Tag aufs Neue zu bewältigen sind.

Das kontinuierliche Brummen der unter Strom stehenden Anlagen lässt die Luft vibrieren. Schüttgut klimpert in einer rotierenden Trommel. Dann verstummt das Klimpern, als der Behälter im Zink-Nickel-Elektrolyten der Fertigungsstraße abtaucht. Es ist nicht die erste Station der Beschichtungstrommel mit ihrem metallischen Inhalt, die je nach Produkt zwischen 20 und 120 Kilogramm Schüttgut enthalten kann. Sie ist bereits durch zahlreiche Bäder gewandert, die in zwei durch einen Gang getrennten Straßen angeordnet sind. Zunächst hat die Trommel die alkalische Entfettung mit demulgierenden Verfahren, Beizvorgängen und einer elek­trolytischen Entfettung durchlaufen, dann ist sie vollautomatisch per Querumsetzer von der Vorbehandlung auf der einen zur Beschichtungsstraße auf der anderen Seite des Gangs gelangt, wo die Ware erst dekapiert und dann in zehn Badstationen mit Zink-Nickel beschichtet worden ist. Jetzt nach dem letzten Bad und dem Ende der Prozesskette bleibt die Trommel über der Ausleerstation stehen. Einen Moment später purzeln die Bauteile nach dem Lösen der Verschlüsse lautstark aus der geöffneten Trommel.

Der Mittelstand ist das Fundament des Landes

Die Szenerie zeigt den Arbeitsalltag an der Zink-Nickel-Anlage in der Knoblauch Galvanik in Geislingen an der Steige. Die 1949 von Wilhelm Frank eröffnete Galvanik ist traumhaft und strategisch günstig gelegen: Zwischen malerischen bewaldeten Hügeln, auf denen die Ruinen alter Burgen thronen, liegt Geislingen, nahe der regionalen Wirtschaftszentren Schwäbisch Gmünd, Aalen und Stuttgart. Zugleich atmet das Unternehmen den Geist eines typischen mittelständischen Betriebs: Es ist familiengeführt, hat 19 Mitarbeitende und einen Umsatz von 3 Millionen Euro im Jahr. Wie allgemein bekannt, ist der Mittelstand Garant des Wohlstands in Deutschland, doch im Schlaglicht der Öffentlichkeit stehen oft nur die Großunternehmen. Hierzu ein paar Zahlen: Zum Mittelstand gehören Unternehmen mit nicht mehr als 500 Mitarbeitenden und einem Umsatz von max. 50 Millionen Euro. Unter diese Kategorie fielen 2020 rund 99 % der Firmen, bei denen etwa 55 % der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten. Sie erwirtschaften etwa ein Drittel aller Umsätze. Der Mittelstand ist also das Fundament dieses Landes: Hier zeigt sich, ob die staatlichen Rahmenbedingungen geeignet sind, um zu investieren und die Beschäftigung zu sichern.gt 2024 05 242Zink-Nickel-Trommelanlage bei Knoblauch Galvanotechnik. Auf der rechten Fertigungsstraße erfolgt die Vorbehandlung, auf der linken die eigentliche Beschichtung. Die Trommel steht über der Ausleerstation

Breit gefächertes Kundenspektrum

Geschäftsgrundlage der Knoblauch-Galvanik ist vor allem die galvanische Verzinkung. Die meiste Ware durchläuft die Trommelanlagen. Die im Dreischichtbetrieb laufende Zink-Trommelanlage und die in zwei Schichten betriebene Zink-Nickel-Trommelanlage. Ebenfalls zweischichtig läuft die Zink-Gestell-Anlage. Zur Verzinkung gehört auch immer das Passivieren mit Chrom(III)-Verbindungen als zusätzlicher Korrosionsschutz. In kleinerem Rahmen wird auch mit Zink-Eisen galvaninsiert. Das Kundenspektrum ist groß und reicht von der Auto­mobil­industrie und dem Maschinenbau über Nutzfahrzeuge, Baumaschinen, Beschläge und Werkzeuge bis hin zum Schaltschrank- und Apparatebau sowie zur Beschichtung von Verbindungselementen. Als Unterlieferant der OEMs sind manche der Teile aus Geislingen, wie etwa beschichtete Sicherheits­clips aus gehärtetem Stahlblech, auch in den Fahrzeugen der großen Automobilkonzerne wie Mercedes, Volkswagen oder BMW verbaut. Wichtiges Merkmal der Firma ist ihr regionaler Bezug: Die Kunden sitzen fast ausschließlich in Süddeutschland.

„Früher war es leichter, Geld zu verdienen“

Die Geschäftsführung liegt in den Händen von Petra Knoblauch und ihrem Sohn Manuel. Letzterer musste nach dem Tod seines Vaters 2018 schnell Verantwortung übernehmen. Jetzt, 6 Jahre später, ist aus dem ausgebildeten Galvanotechniker ein pragmatischer Galvanikmanager geworden, der u. a. im Prüfungsausschuss der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd sitzt und das Geschäft besonnen führt. „Wir haben keine festen Lieferverträge, leben von dem, was heute angeliefert wird“, beschreibt der 27jährige die Geschäftstätigkeit. Dabei wird auf kurze Durchlaufzeiten geachtet, was die Kunden zu schätzen wissen. Die schwächelnde wirtschaftliche Lage macht sich vor allem an den Umsätzen, den Kosten und der schwankenden Auftragslage bemerkbar. Alles in Allem läuft das Geschäft jedoch und eine Deindustrialisierung, die Teile der Industrie beobachten, kann das Familien-Duo nicht ausmachen. Das regionale Geschäft mit Bau- oder Handwerkstechnik könne ohnehin nicht ausgelagert werden, ist sich Manuel Knoblauch sicher. Zugleich ist die Galvanik als Zulieferer abhängig von den großen OEMs. „Was die machen, zählt“, ist er überzeugt. Und Petra Knoblauch hat beobachtet, dass der bürokratische Aufwand, etwa für Zertifizierungen, heute höher ist. „Früher war es leichter, Geld zu verdienen“, weiß die Unternehmerin. Um das Geldverdienen nicht noch weiter zu erschweren ist die Handgalvanik mit Kupfer-Nickel-Chrom zurückgebaut worden, weil die damit einhergehenden „Widrig­keiten“ den Aufwand nicht mehr rechtfertigten. Zudem wurde die Hartverchromung auf Cr(VI)-Basis Ende vergangenen Jahres eingestellt. Hier jedoch aufgrund der Unsicherheit durch REACh und fehlender Möglichkeiten, die Anlage auf Cr(III) umzustellen.

Weitere Erschwernisse für Galvaniken waren die im Zuge des Ukrainekrieges aufgekommenen Materialverknappungen. Laut ifo-Institut (siehe Aktuelles-Rubrik im vorderen Teil des Hefts) ist die Materialverfügbarkeit nun wieder auf dem Vorkriegsniveau angekommen. Petra und Manuel Knoblauch können diese Entspannung bestätigen. Die Preissprünge in der Vergangenheit seien schlimm gewesen. Zu Höchstzeiten wurden etwa Preise für das Kilo Salzsäure von 3 Euro aufgerufen, blicken sie zurück. Davon ist die Branche jetzt offenbar weg, Prozess­chemikalien wie Elektrolyte und Badzusätze werden jedoch kontinuierlich teurer. Die Hersteller machen dafür ihre Lieferanten verantwortlich. Diese Argumente stoßen bei den Knoblauchs zwar auf Verständnis, aber die damit einhergehende Verteuerung der Produktion müssen sie selber ausgleichen, denn Kunden aus der Automobilindustrie verhandeln ihre Preise hart.

Eingängige Automatisierung erleichtert Produktiongt 2024 05 245Greifsicherungen aus verzinkten Stahlblech wie dieser kommen in der Automobilindustrie zum Einsatz

Im Werk steht Inan Temel derweil an der Anlagensteuerung der Zinkgestellanlage. Im Hintergrund läuft eine Schnulze von Céline Dion im Radio. Die Anlagen sind alle­samt mit Steuerungen der Firma Schlötter ausgestattet, deren Unternehmenszentrale nur wenige Gehminuten von der Knoblauch-Galvanik entfernt ist. Am Beispiel der Trommelanlage erklärt Manuel Knoblauch die Vorgehensweise für den Betrieb der automatisierten Galvanisierungslinien: „Jeder Artikel ist in der Anlagensteuerung hinterlegt. Der Werker muss nur den Barcode scannen, dann weiß die Anlage, was zu tun ist. Ein kurzer Abgleich des Trommelfüllgewichts mit der vorgesehenen Menge – dann geht es los.“ Die relativ einfache Verfahrenstechnik hat Vorteile: Sie ermöglicht es der Knoblauch-Galvanik, den überwiegenden Anteil der Belegschaft mit ungelernten Kräften zu besetzen und sich so nicht von knappen Facharbeitern abhängig zu machen.

Im Mittelstand sind Macher gefragt

Der Gestellbereich ist naturgemäß nicht von Trommeln und Schüttgut geprägt: An den Haken eines Gestells hängen Teile eines Unimog-Restaurierers, bei denen es sich um Ölwannen oder andere Auffangwannen handeln könnte. Dann kommt ein Mann in die Werkhalle, der sich mit seinem dunkelblauen Overall von den Arbeitern mit schwarzem T-Shirts und aufgedrucktem Knoblauch-­Schriftzug unterscheidet. Es ist Betriebsleiter Bernd Braun, der hier schon seit der Übernahme der Galvanik durch die Familie Knoblauch im Jahr 1992 arbeitet. Er hat mit Manuels verstorbenem Vater Siegfried Knoblauch die Technikerschule besucht. Zwischendurch wechselte er für zwei Jahre in eine größere Galvanik. Die Arbeit dort vertrug sich jedoch nicht mit seinem Arbeitsverständnis: „In größeren Firmen dauert alles ewig“, erinnert er sich. „Hier kalkulieren wir einen Auftrag und wenn er sich rechnet, wird er umgesetzt“, ergänzt er. Braun tritt an das vorbereitete Gestell vor der Anlage. Inzwischen sind die Unimog-Teile auf dem Weg durch die Fertigung und einem Gestell mit sogenannten Zug­ankern gewichen, die zur Befestigung von Holzpfosten beim Bau von Häusern dienen. Die Kamera blitzt und verewigt ein Porträt von Braun für die Galvanotechnik-Zeitschrift. „Hier kann ich etwas bewegen“, antwortet Braun abschließend auf die Frage, was die Arbeit in der Knoblauch-Galvanik erstrebenswert macht. Wer anpacken will, ist in der mittelständischen Galvanik also offenbar gut aufgehoben. Auf dem Weg zurück ins Geschäftsführer-Büro fällt noch eine Kiste mit Automobilkomponenten ins Auge, die gerade aus einer Zentrifuge entladen wurden. Wie heiße Kartoffeln muss man die silberglänzenden Teile von Hand zu Hand balancieren, um sich an dem frisch getrockneten Metall nicht die Finger zu verbrennen.

Photovoltaik ist ein Tropfen auf dem heißen Stein

Bei der Energiewende und der Klimabilanz sind kleine- und mittelständische Unternehmen nicht ausgenommen. Rund eine Mio. Kilowattstunden Strom braucht die Knoblauch-Galvanik im Jahr. Um Kosten und CO2-Emissionen zu senken, hat die Galvanik ihre Dächer mit Photovoltaik-Modulen gedeckt. Wie Manuel Knoblauch betont, ist der Solarstrom aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Rund 55.000 Kilowattstunden steuern die Solarzellen zum Strombedarf hinzu, das sind etwas mehr als 5 %. Beim Blick auf ein großes Display im Verwaltungsbüro, das alle Bäder visualisiert und auch die Stromnutzung und die bereitgestellte Energie durch die Photovoltaik-Module anzeigt, sieht es etwas besser aus: Von den 240 kWh Strom, die aktuell benötigt werden, stammen 24 kWh aus Solarenergie – immerhin 10 %. Für die Warmwassererzeugung wird seit kurzem darüber hinaus eine vielversprechende Solaranlage eingesetzt, die das Wasser für die Vakuumverdampfung des Zink-Nickel-Abwassers vorheizt. Hier werden Temperaturen von rund 40 Grad erreicht. Der Verdampfer benötigt eine Wassertemperatur von rund 90 Grad für den Betrieb. Auch die Klimabilanz, die angesichts straffer Emissionsminderungsziele bis 2030 immer wichtiger wird, haben die Geislinger Unternehmer im Blick. „Wir nehmen die ersten Carbon Footprints auf“, sagt Manuel Knoblauch, gibt aber zu bedenken, dass sein Unternehmen mit den erhobenen Daten von bislang 20 Strommessstellen nur wenig Handhabe zu Veränderungen dieser Daten hat – schließlich ist der erforderliche Strombedarf für die Galvanisierung fix.

gt 2024 05 246Galvanik-Arbeiter Inan Temel am Computer der Gestellanlage. Die Galvanik verfügt über eine eingängige Automatisierung, die sie unabhängiger von knappen Fachkräften macht

gt 2024 05 247Betriebsleiter Bernd Braun mit einem Zuganker für den Hausbau. Er schätzt die kurzen Wege bei Knoblauch und hat in der Galvanik in den vergangenen 30 Jahren viel bewegt

 

Trauma Galvanikbrand

Wie schon Brandschutz-Experte Wolfram Willand kürzlich in der Galvanotechnik schrieb, ereignet sich in etwa alle drei Monate ein Großbrand in einer Galvanik in Deutschland. So auch 2018 in der Knoblauch-Galvanik in Geislingen. Am Neujahrstag schaltete sich die Wochenuhr einer Elektroheizung bei geringem Badniveau ein, daraufhin fing eine gummibeschichtete Stahlwanne Feuer und zerstörte die modernste Anlage der Galvanik im Obergeschoss einer der Hallen. Das Unglück konnte weder durch die doppelte Absicherung noch durch die Durchbrennsicherung bei der Heizung abgewendet werden. Die Knoblauchs zogen die Konsequenzen: Trotz umfangreicher Verrohrungsarbeit, wurde die ganze Galvanik auf Warmwasserheizungen umgestellt. „Vom Wirkungsgrad und aus Kostensicht ist die Warmwasserheizung deutlich effizienter“, weiß Manuel Knoblauch heute und ergänzt „Es ist das Beste, was man machen kann.“gt 2024 05 244Malerisches Umfeld: Geislingen an der Steige ist schön gelegen und hat eine gute Anbindung an die Region

Investitionsfreudigkeit verhalten

Die Geislinger Galvaniker fühlen sich mit den neuen Heizungen heute deutlich besser und doch sitzt der Schock noch tief, weshalb u. a. die Schaltschränke regelmäßig mit Wärmebildkameras geprüft werden, um atypische Wärmeentwicklungen frühzeitig zu entdecken. Eine sichere Grundlage für die weitere erfolgreiche Geschäftsentwicklung ist damit gegeben, die Investitionsfreudigkeit ist aber angesichts der schwächelnden Wirtschaftsentwicklung in Deutschland noch verhalten.

Sollte sich die Lage verbessern, sind die Geislinger Galvanikunternehmer allerdings gerüstet: „Ein Lampenher­steller in der Nachbarschaft ist wegegezogen und wir konnten uns Fläche sichern – im besten Falle könnten wir so unsere Produktionskapazität von bis zu 35 Tonnen pro Tag verdoppeln“, blickt Manuel Knoblauch voraus in eine mögliche Zukunft. Ähnlich dürfte es in vielen mittelständischen Betrieben der Republik aussehen. Mit den richtigen wirtschaftspolitischen Impulsen kann demnach der Wirtschaftsmotor schnell wieder anspringen und Fahrt aufnehmen!

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 1
  • Jahr: 2019
  • Autoren: Robert Piterek

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