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Dienstag, 30 Mai 2023 11:59

Auf den Punkt gebracht: Warum synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff auch zur Energiewende gehören

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Abb. 1: Mit grünem Strom hergestelltes synthetisches Benzin, Diesel oder Kerosin für Flugzeuge ist CO2 neutral und wird wie ölbasierte Kraftstoffe transportiert und getankt Abb. 1: Mit grünem Strom hergestelltes synthetisches Benzin, Diesel oder Kerosin für Flugzeuge ist CO2 neutral und wird wie ölbasierte Kraftstoffe transportiert und getankt Bild: Continental

Schwachstelle von Wind- und Solarstrom

Wenn man etwas möchte, findet man eine Lösung, wenn man etwas nicht möchte, eine Ausrede! Leider ist unsere Politik und damit die Urheber von Gesetzen, Regeln und Verboten mehr denn je ideologisch geprägt. Ingenieurmäßiges und physikalisches Wissen wird häufig ignoriert oder mangels Bildung nicht verstanden oder verdreht.

Der Reihe nach. Beschäftigen wir uns heute mit der Frage, warum synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff Sinn machen können, auch wenn der Wirkungsgrad sehr niedrig ist (Abb. 1).

Wirkungsgrad-Verlauf bei verschiedenen Antriebarten, aber der Wirkungsgrad ist nicht der Knackpunkt

Vergleicht man die unterschiedlichen Technologien für den Pkw-Antrieb so gibt es signifikante Unterschiede wie Abbildung 2 zeigt. Die Abbildung von Technologie & Environment aus dem Jahre 2017 ist die Lieblingsfolie von fast allen, die einen Antriebsform mit Wasserstoff oder gar synthetischen Kraftstoff via Verbrennungsmotor ad absurdem führen möchten.

plus 2023 05 048Abb. 2: Wirkungsgrad-Verlauf vom grünen Strom bis zum Antriebsrad

BEV: Beim batterieelektrischen Pkw entstehen etwa 5 % Verlust vom Wind- oder Solarpark bis zur Batterie, (Well to Tank). Vom Tank (Batterie) to Wheel (Antriebsrad) bei der Umwandlung vom Wechselstrom zum Gleichstrom (AC/DC) entstehen weitere 5 % Verlust, ebenso je 5 % Batterie-Verlust und bei der Umwandlung wieder vom Gleichstrom zu Wechselstrom (DC/AC). Weitere 10 % addieren sich beim Wirkungsgrad des Elektromotors, sodass ein Gesamtwirkungsgrad von 73 % herauskommt.

Wasserstoff: Niedriger liegt der Wirkungsgrad bei Wasserstoff. Elektrolysen zur Herstellung von Wasserstoff (H2) verbrauchen 30 % der eingeleiteten elektrischen Energie sowie Transport- und Lagerverluste weitere 26 %. Die Rückumwandlung von H2 in der Brennstoffzelle in elektrische Energie verbraucht wiederum 50 %. Weitere 5 % bei der Umwandlung vom Gleichstrom zu Wechselstrom (DC/AC). Weitere 10 % addieren durch den Wirkungsgrad des Elektromotors, sodass ein Gesamtwirkungsgrad von 22 % herauskommt.

E-Fuel: Bei der synthetischen Kraftstoff-Herstellung entstehen wie vor aufgezeigt zunächst 30 % Energieverlust im Elektrolyseur bei der Wasserstoff Produktion und 37 % bei der FT Synthese (nach Fischer-Tropsch in Deutschland ca.1920 entwickelt). Weitere 70 % der verbleibenden Energie gehen im Verbrennungsmotor als Wirkungsgrad verloren, so dass ein Gesamtwirkungsgrad von 13 % übrigbleibt.

Sowohl Wasserstoff als auch synthetisch hergestelltes Benzin, Diesel oder Kerosin lassen sich über weite Strecken transportieren (Schiff, Pipeline, Tankzug, Bahn). Auch können großen Mengen H2 in unterirdischen Gasspeichern wie Erdgas gelagert werden bzw. in Großtankanlagen bei E-Fuels.

Strom lässt sich dagegen über weite Entfernungen nur mit unverhältnismäßig hohem finanziellem Aufwand transportieren. Ein betriebswirtschaftliches No-Go und Grund warum Desertec (Solarenergie aus Nordafrika) vor rund 15 Jahren scheiterte. Es hätte hunderter sehr teurer Unterwasserkabel z. B. aus Nordafrika nach Europa bedurft. Dazu wären hohe Leitungsverluste und Umwandlungsverluste (AC/DC) gekommen.

E-Fuels und Wasserstoff können, da speicherbar, in entfernten windreichen Gebieten produziert werden

Eine große Windkraftanlage mit einer Leistung von 5 MW arbeitet in Deutschland durchschnittlich an Land 2000 Volllast Stunden. Dagegen kann die gleiche Anlage im windreichen Chile ca. 6000 Volllast Stunden erreichen. Gemäß Abbildung 3 könnten so anstatt 4700 batterieelektrischer Pkw 3600 mit eFuel angetriebene Pkw mit Verbrennungsmotor ebenso bei 14.000 km Jahresfahrleistung betrieben werden. Unter Berücksichtigung von Transportverlusten von Chile nach Europa wären dies nur ca. 25 % weniger Fahrzeuge.

Übrigens: die Versuchsanlage von Porsche steht in Punta Arenas im windreichen Patagonien/Chile.

plus 2023 05 022Abb. 3: Stromnutzung eines Windrades an unterschiedlichen Standorten

Kfz-Bestand mit Verbrennungsmotor 1,3 Milliarden weltweit

Der Kraftfahrzeug-Bestand insgesamt beträgt ca. 1,3 Milliarden weltweit. Auf Deutschland entfielen 2022 ca. 48,5 Millionen Pkw. All diese Fahrzeuge haben einen Verbrennungsmotor und werden auch 2035 noch zu einem großen Teil in Verkehr sein. Optimistische Schätzungen gehen in 2035 immer noch von einem Bestand von 30–35 Millionen Verbrennern in Deutschland aus. Würde man es ernst mit der CO2 Emission meinen, könnte hier CO2 neutraler synthetischer Kraftstoff beigemischt oder später zu 100 % eingesetzt werden.

Wasserstoff für Nutzfahrzeuge ist in großen Mengen speicherbar

Betrachtet man die Wirkungsgrade bei Nutzfahrzeugen, so ergibt sich ein ähnliches Bild wie zu Abbildung 2 erläutert. Aber auch hier gilt, die Produktion von grünem Wasserstoff an windreichen Standorten mit bis zu 6000 Volllaststunden pro Jahr zu machen, da Wasserstoff für Nutzfahrzeuge in großen Mengen speicherbar ist.

Die Alternative Fuel Infrastructure Directive (AFID) ist der Rechtsrahmen der europäischen Union für alternative Kraftstoffe. Für Europa ist das Ziel rund 300 Lkw-geeignete Wasserstofftankstellen bis 2025 (beziehungsweise 85 in Deutschland) und mindestens 1.000 (beziehungsweise 300 in Deutschland) bis spätestens 2030 zu bauen. Darüber hinaus sollte definiert werden, dass bis 2030 alle 200 Kilometer eine Wasserstofftankstelle im Fernverkehrsnetz (Autobahnen und Kraftfahrstraßen) verfügbar ist.

thumb plus 2023 05 049Abb. 4: Wirkungsgrade Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb und batterielektrisch

Bosch-Brennstoffzellentechnik in China

In Chongqing, Zentralchina, dort wo AT+S seinen größten Produktionsstandort hat, fahren 70 Lastkraftwagen mit Bosch Brennstoffzellentechnik (FCEV) als Testfahrzeuge im täglichen Einsatz.

Ein Lkw mit Bosch-Brennstoffzellentechnologie, der mit 11,7 kg Wasserstoff vollgetankt ist, kann über 500 Kilometer weit fahren. Und die Wasserstoffbetankung dauert nur fünf bis zehn Minuten, einschließlich Sicherheitsprüfungen.

Dieser Antrieb ist für Lkw wegen des geringen Zusatzgewichts besonders gut geeignet. Es sind nur relativ kleine Batterien nötig. Sie sind Zwischenspeicher des laufend produzierten Stroms aus der Brennstoffzelle. Aus ihnen können die elektrischen Antriebsmotoren gespeist werden, wenn sie nicht gerade direkt aus der Brennstoffzelle ihre Energie bekommen.

thumb plus 2023 05 074Abb. 5: Eines von 70 Bosch Versuchsfahrzeugen mit Brennstoffzellentechnologie (FCEV) der täglich zwischen Chongqing und dem 300 km entfernten Chengdu pendelt (Bild: Bosch)

Auf den Punkt gebracht

  1. Der Gesamtwirkungsrad von „Well to Wheel“ beträgt bei batterieelektrischen Pkw (BEV) ca. 73 %, bei Pkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb ca. 22 % und bei synthetischen Kraftstoffen (e-Fuels) ca. 13 %.
  2. Nimmt man die jährliche Stromleistung einer Windkraftanlage in Deutschland mit 5 MW Nennleistung und realen 2.000 Vollaststunden p. a. als Basis, so könnte diese ca. 4.700 BEVs mit 14.000 km Jahresleistung mit direkt getanktem Strom versorgen.
  3. Die gleiche Windkraftanlage in Deutschland könnte nur ca. 2.000 Vergleich Pkw mit Wasserstoff versorgen und 1.200 mit synthetischem Kraftstoff. Würde diese Windkraftanlage im windreichen Patagonien mit realen 6000 Vollaststunden p. a. betrieben, so könnten 3.600 Pkw mit E-Fuel betankt werden.
  4. Nach der ADFID der EU sollen bis 2030 für die Versorgung von Lkw 1000 Wasserstoff-Tankstellen in der EU und davon 300 in Deutschland gebaut werden.
  5. Bosch betreibt seit 2021 eine Flotte von 70 Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw in China, um diese unter realen Bedingungen zu testen.

Die Schwachstelle der Energiewende, mit schwerpunktmäßig Wind- und Solarstrom, besteht in der fehlenden großtechnischen Speichermöglichkeit. Deshalb muss für Flaute und nachts, wenn die alternativen Energien nicht liefern, der gesamte Strombedarf mit grundlastfähigen Doppelstrukturen (Gas-, Kohle- und bisher Atomkraftwerken) vorgehalten werden. Das bedeutet für die Bürger und die Industrie nahezu doppelte Kosten.

Stromkosten für Privatkunden in Euro-Cent pro KWh: Deutschland 31,8 – Frankreich 18,5 – USA 12,7 – Canada 9,8 – China 7,3 ct/KWh.

Der deutsche Sonderweg mit Doppelstrukturen muss von Industrie und Privatkunden teuer bezahlt werden. Gaskraftwerke u. Kohlekraftwerke müssen auch bezahlt werden, wenn sie Null Kilowattstunden Strom liefern, denn bei Dunkelheit und Flaute sind sie die einzigen die zuverlässig Strom liefern.

Wasserstoff und Synthetischer Kraftstoff sind auch in großen Mengen speicherbar und transportierbar und lassen sich deshalb dort produzieren, wo Sonne und Wind im Überfluss verfügbar sind.

Ohne Technologieoffenheit richten wir unsere Industrie, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand zugrunde.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Joachim Friedrichkeit

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 5
  • Jahr: 2023
  • Autoren: H. J. Friedrichkeit

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