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Montag, 25 September 2023 11:59

Die europäische Leiterplattenindustrie

von Michael Gasch
Geschätzte Lesezeit: 2 - 4 Minuten
Die europäische Leiterplattenindustrie Bild: 86pcb – Mit freundlicher Genehmigung

Im vergangenen Jahr belief sich die weltweite Leiterplattenproduktion auf etwa 97 Mrd. $. Davon wurden in Asien 94 % hergestellt, während sich der europäische Anteil auf 2,2 % belief.

Nach dem Tiefpunkt im Corona-Jahr 2020 mit einem Produktionsvolumen in Europa von nur 1,4 Mrd. € hat sich die europäische Leiterplattenindustrie in den letzten beiden Jahren auf nunmehr knapp 1,7 Mrd. € erneut erholt und liegt damit 11,5 % unter dem Stand von 2010 (Abb. 1).

Die Zahl der Firmen ging allerdings im gleichen Zeitraum um 43 % auf nur noch 172 Unternehmen zurück (Abb. 2).

Abb. 1: Umsatzentwicklung des Produktionswertes in Europa seit 2010; © info@data4PCB.comAbb. 1: Umsatzentwicklung des Produktionswertes in Europa seit 2010; © Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Abb. 2: Entwicklung der Herstelleranzahl seit 2010; © info@data4PCB.comAbb. 2: Entwicklung der Herstelleranzahl seit 2010; © Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Vor dem geopolitischen Hintergrund des Handelskrieges der USA mit China, des Krieges zwischen Russland und der Ukraine sowie des wirtschaftlichen Rückgangs Chinas nach den überzogenen Corona-Maßnahmen wurden die Prognosen 2023 für das globale wirtschaftliche Wachstum auf nur + 2,1 % (nach + 3,1 % im Vorjahr) revidiert.

Diese Gründe führten zu einer neuen Sichtweise auf China als Handelspartner. Während sich China seit seiner Öffnung durch das Outsourcing der westlichen Industrieländer zur unbestrittenen Werkbank der Welt entwickelte, kamen in den letzten Jahren deutliche Zweifel an der Zuverlässigkeit auf und es wurde über Möglichkeiten der Verlagerung von Produktionsstätten nachgedacht, um die Liefersicherheit zu verbessern. Zudem stoßen die zunehmende Kontrolle und Überwachung sowie die Einmischung in Geschäftsvorgänge auf Widerstand.

Die Alternativen sind der Standortwechsel im asiatischen Großraum (relocation), die Rückverlagerung in ein Land innerhalb Europas (nearshoring) oder sogar ins eigene Land (reshoring).

‚Nur weg von China'

Für die Elektronik kommen für den Standortwechsel im asiatischen Großraum immer wieder drei Länder ins Gespräch: Vietnam, Thailand und Indien. Dabei spielt aber der Gedanke ‚nur weg von China' die dominierende Rolle, weil Lieferunterbrechungen durch politische Entscheidungen (wie z. B. Lockdowns) vermieden werden. Es wird aber übersehen, daß fast alle Vormaterialien aus China beschafft werden müssen.

Near- oder Reshoring sind im Vergleich dazu eine wesentlich teurere Entscheidung, denn die meisten Kosten – allen voran Löhne und Steuern – sind deutlich höher. Allerdings gibt es auch Ersparnisse, wie z. B. Logistik- und Transportkosten, Zölle etc., die einen Teil dieser Kosten kompensieren. Für eine Verlagerung in ein europäisches Land kommen mehrere Länder des Baltikums oder Zentral- und Südeuropas infrage.

Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, ging die Zahl der Leiterplattenhersteller im Laufe der Jahre kontinuierlich zurück – noch vor 40 Jahren sollen es in Europa fast 1000 Hersteller gewesen sein, vor 20 Jahren noch über 500. Gegen die konsequent vorangetriebene Verlagerung der Beschaffung nach China und die dortige Kostenstruktur und Subventionen konnten die hiesigen Firmen nicht mehr konkurrieren.

Während in China außergewöhnlich große Leiterplattenhersteller ansässig sind (die 10 größten Firmen vereinigen mit über 26 Mrd. $ mehr als ein Viertel des weltweiten Produktionsvolumens auf sich) besteht die europäische Leiterplattenindustrie vornehmlich aus kleinen bis mittleren Unternehmen. Von den 2022 verbliebenen 172 Firmen hatte nur ein Viertel einen Jahresumsatz über 10 Mio €. Den übrigen 75 % fehlt es entweder an den nötigen Mitteln zu investieren oder es findet sich für das Unternehmen kein Nachfolger.

Mit der veränderten Wirtschaftspolitik der EU gegenüber China wird nunmehr versucht, maßgebliche Industrien und Produkte aus dem Einflussbereich Chinas zu verlagern. Dazu gehören u. a. Halbleiter, wovon 68 Projekte durch den ‚EU Chip Act' gefördert werden. Ein Chip alleine ist aber nutzlos, wenn er nicht auf einer Plattform, sprich: Leiterplatte, montiert ist.

In dieser Situation gibt es allerdings eine gänzlich neue Überlegung: zur Sicherung der eigenen Lieferfähigkeit investieren OEM und EMS Unternehmen in ihre Zulieferer, entweder als Beteiligung oder als Komplettübernahme.

Unabhängig von derartigen Entscheidungen gilt es jetzt, den in Europa verbliebenen Herstellern eine Perspektive zu bieten. Der amerikanische Verband IPC, in Deutschland bislang überwiegend für seine Normen bekannt, hat nun die Initiative ergriffen, um in Brüssel die Belange der Leiterplatten- und EMS-Industrie zu stärken [1]. Damit wird den Unternehmen eine Möglichkeit geboten, mit Hilfe des IPC bei nationalen und internationalen Regierungsorganisationen Gehör zu finden.

Es ist unbestritten, dass von den europäischen Großherstellern allenfalls AT&S in der Lage ist, eine Fertigung für Substrate aufzubauen, vor allem weil nicht nur enorme Investitionen, sondern auch eine langwierige Qualifizierung erforderlich sind. Um dieses Ziel zu erreichen müssen sich Bundesregierung und EU umgehend finanziell beteiligen, damit nicht ein weiterer Produktions- und Technologieschritt verpasst wird.

Es ist selbstverständlich, dass diese ‚hohe Schule der Elektronikfertigung' nur von einzelnen wenigen Firmen – und das auch nur mit massiver Unterstützung – in Angriff genommen werden kann, aber es dürfte der übrigen Industrie für die herkömmlichen Technologien eine wichtige Unterstützung geben.

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Referenzen

[1] Beachten Sie hierzu das ‚Gespräch des Monats' mit Dr. Hans-Peter Tranitz, IPC Electronics Europe, PLUS 6/2023, S. 816

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Michael Gasch

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