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Donnerstag, 14 September 2023 08:00

Kolumne: Kostelniks PlattenTektonik – 80 Jahre moderne Leiterplatte

von
Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten
Jan Kostelnik Jan Kostelnik

So modern wie eh und je oder wie nie zuvor. Sie ist nicht mehr aus unserer Technikwelt wegzudenken. Die grundlegenden Herstellungsverfahren wurden 1943 im Patent von Paul Eisler beschrieben [1]. Damit war der Grundstein für die wirtschaftliche Fertigung gelegt.

Nach Eislers Patent kamen viele evolutionäre, technologische und funktionelle Weiterentwicklungen hinzu. USA und BRD waren die Innovationsschmieden. Der Blütezeit in den 1980ern mit vielen Inhouse-Fertigungen folgte eine grundlegende Umstrukturierung. Dieser Umbau der Wertschöpfung und der Wertschöpfungskette läutete ein unhaltbares Sterben von Leiterplattenstandorten in Europa ein.

Die Leiterplatte – oder: ‚Totgesagte leben länger'

Dieser Spruch manifestierte sich in den 1990ern und 2000ern. Wer lange genug dabei ist, wird sich erinnern. Nach jedem weiteren Sterben eines Herstellers in Europa hoffte man wieder auf bessere Zeiten. Käufe, Verkäufe und Abwicklungen bedeuteten jedoch leider auch zumeist, dass wertvolle Wertschöpfung nicht in Europa verblieb, sondern verschwand – natürlich nach Asien. Was einmal weg war, kam bzw. kommt so schnell nicht wieder.

Das Denken in der Politik bzw. bei den zuständigen Ministerien war vor 15 Jahren schon so geprägt, dass man die Leiterplatte nicht als essentiell in der Wirtschaftsausrichtung des Landes sah. O-Ton: „Das kauft man eben in Asien zu“ – eben woanders. Dass es nun doch nicht ganz so einfach ist zeigt das Beispiel Ruwel. In den 1950ern begann Ruwel als einer der ersten in Europa mit der Produktion von Leiterplatten. Ein deutsches Traditionsunternehmen, welches in den 1980er, 1990er und 2000er Jahren gnadenlos durch das Gebaren der Autoindustrie und deren Zulieferer in Abhängigkeit und kurz vor den Abgrund getrieben wurde. Als diese Autoindustrie und deren Zulieferer feststellten, dass es ohne Ruwel bald keinen spezialisierten Leiterplattenlieferanten mehr in Deutschland geben wird, der dieses Spiel mitspielt, startete man eine Überlebensstrategie für seinen ‚besten' Lieferanten. Seit 2013 ist Ruwel ein taiwanesisches Unternehmen, welches sich durch den Aufkauf und der Belassung des Standortes die Tür für den deutschen Markt offenhält und so der deutschen Autoindustrie einen preiswerten Zugang auch für Entwicklungen moderner Leiterplatten vor Ort bietet.

Abb. 1: Alte LeiterplatteAbb. 1: Alte LeiterplatteNoch! Und da sind wir bei einem wichtigen Punkt. Inzwischen kommen nämlich auch Innovationen für das Auto genauso wenig wie bei Leiterplatte aus den einstigen Hochburgen der Industrialisierer und Erfinder.

Die Geschichte wiederholt sich – was mit der Leiterplatte geschah, geschieht jetzt mit dem Auto. Der Weg nach Asien, vor allen nach China ist vollzogen. Die Wertschöpfung wurde umgekehrt.

Wenn man so weitermacht wie bisher, wird auch die moderne Leiterplatte immer mehr aus Europa verschwinden. Bestes Beispiel ist die Textilindustrie. Ihnen fallen aber bestimmt noch weitere Beispiele ein (Solar, Windkraft). Hier sind die Hersteller an einer Hand abzuzählen bzw. erst im letzten Jahr ‚ausgewandert': „… Ende der Rotorblatt-Produktion: Vestas verlässt Lauchhammer endgültig … Bedauern im Wirtschaftsministerium …“ [2].

Da war dann eine Zukunftstechnologie einfach mal weg. Was bleiben wird, sind einige Institute, die darüber reden, dazu forschen und … ?

Bilder: OpenClipart-Vectors auf Pixabay & alex grichenko/CC 0Jetzt wollen wir mal nicht ganz so pessimistisch sein. Was man evtl. ja noch machen könnte, wäre die Wiederbelebung des Recyclings im eigenen Lande. Der ‚Grüne Punkt' ist doch eine Erfolgsgeschichte, oder? Da könnte die Leiterplatte vielleicht gut dazu passen. Immerhin stimmt schon einmal die Farbe.

Jetzt kommt das ‚Aber'. Auch wenn die meisten Leiterplatten eine grüne Farbe haben, bedeutet das noch lange nicht, dass sie deshalb ein grünes bzw. nachhaltiges und umweltfreundliches Dasein führen.

Nach wie vor werden bei den meisten Leiterplatten Flammschutzmittel auf Basis von Phosphor oder Brom verwendet. Wir können dies im Internet nachlesen: ‚Die EBFRIP begrüßt die Veröffentlichung der Schlussfolgerungen der EU-Risikobewertungs- und Risikominderungsstrategie von TBBPA. Die Entscheidung der Kommission beendet die Risikobewertung von TBBPA. Damit wird TBBPA innerhalb der EU ohne Einschränkungen einsetzbar' [3]. Die Neubewertung läuft seit 2015 und wird von Dänemark durchgeführt [4].

Wie es anders gehen könnte zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Nicht nur Sony und Panasonic haben Pionierarbeit geleistet. Vorschläge bzw. grundlegende Entwicklungen gab es zumindestens bereits schon vor 30 Jahren [5]. Vielleicht sollte man mal wieder in den Geschichtsbüchern blättern. Zu der Zeit wurde nicht gleich alles im sehr jungen Internet gepostet sondern vor allem in Büchern festgehalten.

Die Leiterplatte bleibt ein wichtiger Bestandteil der modernen Elektronik

Um im Guten an dieser Stelle wieder rauszukommen. Natürlich gibt es moderne und zudem auch Hi-Tech-Leiterplatten aus Europa, deren Qualität stimmt. Schließlich wurde die moderne Leiterplatte in Europa erfunden. Was aktuell gilt: Klasse statt Masse. Aber daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen.

Masse, aber auch Klasse sowie Innovation kommt dann eben woanders her. Wir müssen uns nur mit diesen Anderen – aus ‚woanders' – gut verstehen …

Und denken Sie daran: ‚Totgesagte leben länger'.

Herzliche Grüße
Jan Kostelnik

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www.tebko.de

Quellen

[1] Paul Eisler: Patent GB 639178, ‚Manufacture of Electric Circuits and Circuit Components', London, 02.02.1943
[2] Sendung: Antenne Brandenburg, 30.06.2022, 8:30 Uhr - www.rbb24.de/studiocottbus/panorama/2022/06/vestas-ende-uebernahme-standort-lauchhammer.html (Abruf: 7.8.2023)
[3] AnkeSchröter: TBBPA genehmigt für Marketing und Nutzung, Evertiq News, evertiq.de/news/4175 (Abruf: 9.8.2023)
[4] Community rolling action plan (CoRAP) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), www.echa.europa.eu/information-on-chemicals/evaluation/community-rolling-action-plan/corap-table/-/dislist/details/0b0236e1807e837f (Abruf: 7.8.2023)
[5] Neue Technologien für die Fertigung recyclinggerechter elektronischer Erzeugnisse: BMFT-Verbundprojekt 1992-1995, Abschlussbericht Gebundene Ausgabe – 1. Januar 1995, VDIVDE-IT, Berlin

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Jan Kostelnik

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