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Montag, 09 Oktober 2023 11:59

Interview mit Britta Kruse (Berufliche Schule der Hanse- und Universitätsstadt Rostock -Technik-)

von
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Die Ergebnisse der PLUS-Recherche zum Thema ‚Fachkräftemangel in der Elektronikindustrie und -forschung‘ stellen wir auf der 31. FED-Konferenz in Augsburg (20./21. September 2023) vor. Die Ergebnisse der PLUS-Recherche zum Thema ‚Fachkräftemangel in der Elektronikindustrie und -forschung‘ stellen wir auf der 31. FED-Konferenz in Augsburg (20./21. September 2023) vor. Bild. AdobeStock

Im Rahmen unserer Recherche zum Thema ‚Fachkräftemangel in der Elektronikindustrie und -forschung' führen wir unter anderem Interviews mit Auszubildenden, Ausbildern und Studierenden, um ein Stimmungsbild über die aktuelle Lage zu erhalten.

PLUS: Sie haben Ihren Master für Lehramt mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik abgeschlossen. Herzlichen Glückwunsch.

Britta KruseBritta Kruse: Vielen Dank. Das Lehramt befähigt mich nun an allen beruflichen Schulen zu arbeiten. Ich arbeite derzeit seit anderthalb Jahren an der BS Technik in Rostock und fange mein Referendariat an. Ich würde gerne dort bleibenund im Bereich aller Ausbildungen den theoretischen Teil unterrichten.

Ihr Schwerpunkt ist neben dem Fach Englisch die Elektrotechnik. Wie kamen Sie dazu?

Ich hatte mich nach dem Abitur für ein Maschinenbaustudium entschieden. Nebenbei habe ich am Fraunhofer Institut IGP im Bereich der Automatisierungstechnik gearbeitet. Nach einer Weile habe aber festgestellt, dass das Studium für mich nicht das richtige ist. Ich habe mir dann gedacht: „OK, hat nicht geklappt – mache ich eben eine Ausbildung zur Mechatronikerin.“ Ich war dann bei der Firma ZF, ehemals TRW, in Lage, die Gasgeneratoren für Airbagsherstellt. Dort wurde mir vorgeschlagen, statt Mechatronik dieAusbildung zur Elektronikerin für Betriebstechnik zu machen, was ich dann auch tat.Dann fragten mich die Lehrkräfte, ob ich nicht studieren und selber unterrichten möchte – hier bin ich nun acht Jahre später nach Start der Ausbildung.

Elektrotechnik war also gar nicht so Ihre Absicht und nicht der große Traum Ihrer Jugend …

Genau, es ist einfach passiert. Ich habe meine Liebe zur Elektrotechnik in meiner Ausbildung entdeckt. Ich mag, ein Problem vorgesetzt bekommen und dafür eine Lösung zu finden. Die Fehlersuche bei der Funktionsstörung einer Anlage ist sehr faszinierend. Ich mag es auch, selber Schaltpläne zu entwickeln oder dafür zu sorgen, dass in der Automatisierungslinie alles funktioniert.

„Ich habe die Liebe zur Elektrotechnik in meiner Ausbildung entdeckt“

Als Lehrerin an der beruflichen Schule werden Sie nun selber im Bereich der Elektrotechnik ausbilden. Welche Schwerpunkte sollte man setzten – und welche werden Sie setzen?

In der Automatisierungstechnik – weil mich das am meisten begeistert. Es ist zukunftswirksam, da alles automatisiert wird und die logischen Zusammenhänge sehr gut darstellbar sind. Es ist eine schöne Verknüpfung von Theorie und Praxis gerade für Auszubildende, wenn man am Ende sieht, dass die Lampe leuchtet oder der Motor sich dreht – ohne selber aktiv danebenzustehen und den Schalter zu betätigen.

Wie empfanden Sie die Stoffmenge, Komplexität und Wissensvermittlung bei Ihrer eigenen Ausbildung?

Es hat ein bisschen die Tiefe gefehlt. Pro Lehrjahr hatte man nur etwa 13 Wochen Schule, in denen die Theorie direkt vermittelt werden kann – nicht gerade viel. Teilweise lagen die Schwerpunkte nicht immer genau da, wo man sie gerne gehabt hätte. Dank des guten Lehrer-Schüler-Verhältnisses kriegte man aber auf Nachfrage direkte Hilfe und konnte den Stoff in Teilen noch mal durchgehen. Das war alles sehr gut miteinander verschränkt.

War das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis ausgewogen?

Das war in Ordnung. Dazu muss ich sagen, dass für uns von der Firma viele überbetriebliche Lehrgänge gebucht wurden. Der Betrieb konnte nicht alles realisieren, was in der Ausbildungsordnung steht. Also kaufte man dies dazu. Wir waren dann in einem betrieblichen Ausbildungszentrum für die Bereiche Pneumatik, Leiterplattengrundlagen, Metalltechnik und so weiter. Es gab also wirklich viele Inhalte – aber an einigen Stellen auch Leerlauf.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Ausbildung verbessern?

Ich glaube, dass der Elektroniker in der Betriebstechnik eine große Bandbreite lernen muss, sich aber die Schüler nicht für alle Bereiche interessieren. Klar muss man Grundlagenwissen erwerben, aber für die Fachbereiche sollte es mehr Wahlmöglichkeiten geben. Es entsteht sonst der Eindruck, dass man nur für die Prüfungen lernt und die Inhalte danach vergessen kann, weil man es später im Betrieb eh nicht braucht. Das Zusammenspiel von Schule und Betrieb sollte deshalb besser sein. Sonst lernt man erst in der Schule, wie man etwas richtig macht – und sieht dann, dass im Betrieb alles ganz anders läuft. Und das unter Zeitdruck! Ich finde, das ist ein Problem.

Sie sind die erste Frau, die ich über ihre elektrotechnische Ausbildung befrage. Wie kann man Ihrer Meinung nach mehr Frauen für diesen Bereich begeistern?

Elektrotechnik ist nicht sehr nahbar gestaltet. Ich hatte lange den Eindruck, dass dafür nur extrem intelligente Menschen in Frage kommen. Dabei ist der Fachbereich breit gefächert. Es muss nicht jeder exakt wissen, wie ein Smartphone, eine große Windkraftanlage oder Automatisierungsanlagen funktionieren. Deshalb ist es wichtig, dass in der Schule viel früher mit der Berufsvorbereitung angefangen wird. Bei mir war es so, dass man eher schnell ein Sozialpraktikum und dann ein Betriebspraktikum gemacht hat – das war’s dann aber auch. Es fehlten Verknüpfungspunkte zu eigenen Berufswünschen oder Ideen.

Was könnten diese Verknüpfungspunkte sein? Das ist – glaube ich – eine Frage, nach deren Antwort jeder sucht, denn die sehen auch die Firmen teilweise nicht.

Firmen sollen wirklich gezielt an Schulen herantreten für bestimmte Projekte, etwa um die Funktionsweise einer Windkraftanlage genau zu erklären, sie gemeinsam zu besuchen, oder den Schülern bestimme Dinge aus dem Alltag zu erklären. Auch gibt es zu wenig Angebote für ein Schülerpraktikum. Zu viele Firmen sagen: „Wir haben keine Zeit und keine Kapazitäten.“

Aber es werden doch häufig ‚Girls' days' an den Schulen veranstaltet …

Ein einziger Tag reicht nicht, um in einen Betrieb kennenzulernen. Da geht man hin, guckt alle Abteilungen an – das war's. Man bräuchte eine direkte Betreuung, die einem verschiedene Möglichkeiten aufzeigt, oder der Besuch sollte länger gehen.

Was sind Ihrer Meinung nach - aus einer Makroperspektive betrachtet - die Hauptgründe für den Fachkräftemangel in der Elektronikindustrie und Forschung?

Natürlich vor allem dieser demografische Wandel. Aber gerade bei der Ausbildung in der Elektrotechnik stellen auch die Arbeitgeber selber ein Problem dar – wenn sie etwa Azubis nicht richtig ausbilden oder nicht gut behandeln. Das führt dazu, dass diese abspringen oder andere Angebote wahrnehmen. Ich sehe auch, dass Berufsschulen und berufliche Schulen an der Belastungsgrenze stehen. Wir haben auch einen Lehrerfachkräftemangel. Man kann die Klassen nicht immer größer werden lassen. Wir müssen leider oft sagen: „Schön, dass ihr Azubis habt – aber wir können sie nicht beschulen.“ Es ist das Problem einer dualen Ausbildung, dass alles miteinander zusammenhängt.

Sind Sie deshalb in die Lehre gegangen - um das Problem an der Wurzel zu packen?

Nicht aktiv. Es war eher mein Wunsch, anderen zu vermitteln und diese Barriere zu überwinden: „Hey Leute, das ist nicht ganz so komplex, wie ihr glaubt. Wir können es nochmal runterbrechen und anders betrachten.“ Ich glaube, das hilft den Leuten das komplexe Gebiet der Elektrotechnik besser zu verstehen und ihnen die Angst zu nehmen.

Eine weitere Frage: Kennen Sie Azubis oder Studenten der Elektrotechnik, die ihre Ausbildung abgebrochen haben?

Die Gegenfrage ist doch eher: Wer kennt denn keinen? Ich selbst habe mein Maschinenbaustudium (Bachelor) abgebrochen, und ich kenne viele, die tatsächlich Elektrotechnik abgebrochen haben – aus unterschiedlichen Gründen. Meistens lag es aber daran, dass sie rausgeprüft wurden oder erkannt haben, dass sie den Anforderungen eines Elektrotechnikstudiums nicht gerecht werden können. Das liegt auch an einem elitären Gehabe mancher Dozenten, die teilweise sagten: „Wir haben nur 90 % Durchfallquote, das können wir sicher erhöhen?“ Das habe ich wirklich gehört! Ich finde nicht, dass man an der Uni so miteinander umgehen sollte, aber das ist leider immer noch gegeben. Auch deshalb brechen viele ab. Dabei sind meiner Meinung nach die Anforderungen gar nicht vom Fachlichen her zu hoch. Aber die Prüfungen werden extrem streng durchgezogen. Auch die Studienfinanzierung überlastet viele. Sie brechen dann lieber ab und gehen in den Beruf zurück.

Ist die Ausbildung also doch zu komplex?

Zu Beginn ja. Gerade die Anfangsmodule in den technischen Studiengängen sind teilweise sehr hochgegriffen und bieten immer gleich Aussortierungsbedarf.

Empfanden Sie auch das Maschinenbaustudium, welches Sie abgebrochen haben, als zu komplex?

Ich habe festgestellt, dass ich Technische Mechanik nicht verstehe und bei Thermodynamik an meine Grenzen gekommen bin. Schon nach dem zweiten Semester schwand meine Motivation. Hätten mich meine Kommilitonen nicht mitgezogen, hätte ich noch früher abgebrochen. Es war mein erster Impuls nach dem Abitur, etwas Technisches zu studieren. Und Maschinenbau klang sinnvoller als Elektrotechnik, denn da kannte ich schon im Voraus Leute, die abgebrochen haben. Aber am Fraunhofer-Institut lernte ich das Ingenieurswesen kennen und bekam einen ganz anderen Eindruck. Letzten Endes war Maschinenbau einfach nicht das Richtige für mich.

Dafür hat die Elektrotechnik Sie gewonnen – von daher ist doch alles gut gelaufen …

Ja das finde ich auch.

Links

https://www.bs-technik-rostock.de/
https://www.igp.fraunhofer.de/

 

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 9
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Markolf Hoffmann

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