Das 81. Treffen des SAET wurde im Fachkontext von ‚dresden elektronik ingenieurtechnik' ausgerichtet, einem Dienstleistungsbetrieb im Elektroniksektor. Die langjährige Verbindung zwischen dem SAET und diesem Unternehmen reicht bis ins Jahr 2015 zurück, als bereits ein Besuch stattfand, um das 25. Betriebsjubiläum des Unternehmens zu zelebrieren. Gegenwärtig beschäftigt ‚dresden elektronik' 110 Mitarbeiter, die aktiv zur Entwicklung und Innovation im Elektronikbereich beitragen. Seit 1990 agiert ‚dresden elektronik' als Partner für komplexe Elektronikentwicklung und Serienfertigung auf dem Markt.
Die Geschäftsfelder von ‚dresden elektronik'
Dabei teilt sich das in Dresden ansässige Unternehmen in drei Geschäftsbereiche auf: Der E2MS-Bereich (Electronic/Engineering/Manufacturing/Service) bildet das solide Fundament und legt seinen Schwerpunkt auf Auftragsentwicklung und -fertigung. Das Unternehmen begleitet seine Kunden von der Idee bis zur Serienreife und bietet Unterstützung sowohl in Teilbereichen als auch für Gesamtaufträge - von der Prototypenentwicklung bis zur Serienfertigung.
Daniela Geißler stellte das Shop Floor Management vom Kundenauftrag zum Fertigungsauftrag, das Management für das Material mit Lieferketten und Lagerhaltung sowie den Shopfloor bzw. Planungstools der Fertigung vor. Sie erörterte, wie im Unternehmen der Überblick über die laufenden Shops trotz möglicher Störungen und Vielfalt der Produkte behalten wird und beschrieb das Change-Management (vom KPI zur ‚corrective action') in der Produktion. Die unmittelbare Interaktion zwischen den Bereichen Entwicklung und Fertigung ermöglicht schnelle und flexible Produktanpassungen. Kunden profitieren davon mit einer deutlich reduzierten Time-to-Market und hochwertigen, marktfähigen Produkten.
Im Bereich Funk präsentiert das Unternehmen ein breit gefächertes Spektrum individueller Lösungen. Besonders hervorzuheben sind kundenspezifische Lösungen, die sich auf den Low Power Funkstandard IEEE 802.15.4 für drahtlose Sensornetzwerke mit ZigBee unter der etablierten Marke Phoscon spezialisiert haben. Insgesamt steht die Marke Phoscon für innovative Lösungen im Bereich der intelligenten Licht- und Gebäudesteuerung, wobei dresden elektronik die zugrunde liegende Elektronik und Technologie entwickelt. Diese Produkte bieten Nutzern die Möglichkeit, ihre Smart-Home-Geräte nahtlos zu vernetzen und zu steuern. Der Geschäftsbereich ‚dresden elektronik Verkehrstechnik' ist spezialisiert auf die Entwicklung innovativer Produkte im Bereich Anzeigensysteme und Verkehrsbeeinflussung. Die Expertise erstreckt sich über alle Phasen des Produktlebenszyklus. Die Steuerungsanlagen (DFI-Systeme) für das Verkehrsmanagement decken den Bereich von Fußgängeranlagen und kleinen Knotenpunkten bis hin zu komplexen Verkehrsknoten und Fahrplananzeigensysteme mit E-Paper-Displays ab. Diese Systeme finden bereits in verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ihre Anwendung.
Prüftechnik und Testautomation
Über das bei der ‚dresden elektronik' als hochkomplex angesehene und zentrale Thema Prüfprozesse und Prüfschärfe sprach Stefan Kempe, im Unternehmen verantwortlich für die Prozessgestaltung. Er betonte, dass mit einer Vielzahl von Prüfprozessen eine hohe Prüfabdeckung erreicht werden kann, eine Voraussetzung für eine stressfreie, sichere und reproduzierbare Fertigung.
Das Unternehmen führte 2002 die Werker-Eigenkontrolle für SMD- und THT-Finish ein (100%ig, bei Siplace-Bestückung in Stichproben) und bildete einen eigenen Bereich Qualitätssicherung. Später wurden in der Siplace-Linie die Rüstkontrolle und ein Abnahmeverfahren (Vier-Augen-Prinzip) eingeführt. Organisatorische Lösungen zu Schablonen und Lotpasten trugen dazu bei, auftretende massive Lötprobleme zu beseitigen. Mit Einführung der Selektivlackierung 2012 wurden die Prozessfreigabe Lack und die Rüstkontrolle Lack notwendig.
Es existieren zwei AOI-Systeme, Systeme für In Circuit-, Flying Probe, Boundary Scan- und Funktionstest, automatische Fertigungstests für ZigBee-Produkte, für die Photovoltaik-, Automotiv- sowie die Telekommunikationssparte. Entwickelt werden kundenspezifische Adaptierungen.
2021 wurde die papierlose Fertigung mit BDE-Terminals an jedem Arbeitsplatz eingeführt. Viel Wert wird auf transparente Fertigung, Erfassung der Prüfergebnisse, Rückverfolgbarkeit und Rückkopplung der Fertigungs-Mitarbeiter gelegt. Neueste Errungenschaft ist ein Online-Zugang für Kunden, über den der aktuelle Stand eines Kundenauftrages in der Fertigung sichtbar gemacht wird.
Erreicht wurden über das letzte Jahr niedrige Fehlerraten bzw. hohe First Pass Yield's von 99,7 % in der Fertigung, bei der Q-Prüfung 98,8 % und bei der Funktionsprüfung für konkrete Baugruppen 99,92 %. Wesentlich für die Erzielung solcher Ergebnisse sind die Unterstützung durch die Geschäftsleitung, das Beherrschen der Prozesse durch organisatorische und personelle Maßnahmen, klare vertragliche Regelungen von Prüfarbeitsgängen, die Verankerung in der Baugruppentechnologie, eine detaillierte Arbeitsvorbereitung, Rückkopplung und vor allem qualifizierte Mitarbeiter mit sicherem anwendungsbereitem Wissen und technologischer Disziplin. Weiterhin wesentlich sind ein praktikabler Änderungsdienst und konsequente Auswertung der Kunden-RMAs.
Fertigungsführungen
Im Betriebsrundgang konnten sich die Teilnehmer des Treffens wie schon beim Besuch 2015 von der sehr gut ausgerüsteten Elektronik-Fertigung überzeugen. Durch neue Ausrüstungen ist es in der Fertigungshalle mittlerweile sehr eng geworden. Auch wenn der Vernetzung der Fertigungslinien und der Automatisierung Grenzen gesetzt sind, ist das jedoch in Sicht auf die Produkt- und Losgrößenvielfalt kein Nachteil.
Auch der Lotpasten- und Kleberdruck erfolgt sowohl für SMD und THT- bzw. Pin-in-Hole-Technologien in kleinen als auch in großen Serienstückzahlen. Gleichzeitig werden allgemeine Verbindungstechnologien wie Nieten und die Verarbeitung von Einpress-Steckverbindern angewendet. Zu sehen waren die Ausrüstungen zum Wellenlöten, Konvektions-Reflowlöten, automatisches Selektivlöten und natürlich die Möglichkeiten zum Hand-, IC- und BGA/QFN-Löten sowie Reparaturarbeitsplätze.
Die Montage von THT-Bauteilen erfolgt manuell. Ein weiteres Merkmal des Unternehmens ist eine eigene leistungsfähige Mechanik-Fertigung, die auch den Gerätebau bedient. In eigener Fertigung entstehen Kleingeräte und Schaltschränke mit 19″-Einschüben, dazu auch die Kabelfertigung und Verkabelung. Vorgeführt wurden die Einrichtungen für Schutzbeschichtungen, Passivierung und Lackverguss für höhere Qualität und Langlebigkeit der Baugruppen. Bemerkenswert fand der Autor, dass die Mitarbeiter der Montage für alle Anlagen und Prozesse geschult sind, also beliebig eingesetzt werden können. Dadurch werden personalbedingte Ausfälle vermieden und der Produktionsablauf stabilisiert.
Chip-on-Board-Fertigung im Reinraum
Ein weiterer in Dresden ansässiger Betrieb zur Herstellung elektronischer Baugruppen ist ‚First Sensor, NL Dresden-Klotsche' (FSP), die die Mitglieder des Arbeitskreises von verschiedenen Besuchen seit vielen Jahren als ‚Microelektronik Packaging Dresden' (MPD) kennen. 2005 wurde dieser Betrieb ‚First Sensor' angegliedert und ist ein bekannter europäischer Sensorikhersteller. Dirk Ensminger, zuständig für Technologie und Sensorik bei der FSP, berichtete nun über den Zusammenschluss der FSP mit der US-amerikanischen ‚TE Connectivity Corporation', ein Anbieter von Konnektivitäts- und Sensorlösungen. Durch die Anbindung kann die FSP jetzt Kunden in 140 Ländern betreuen.
Die FSP verfügt über langjährige Erfahrung und umfassendes Know-how in der Entwicklung und Herstellung von elektronischen Mikrosystemen für Bauelemente bis hin zu Mikrosystemen als komplexe Multi-Chip-Module für die kundenspezifische Miniaturisierung von optoelektronischen und MEMS-basierten Sensoren.
Die Halbleiterchips werden mit modernsten und automatisierten Verfahren der Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) verarbeitet. Die Expertise umfasst Chip-on-Board-Lösungen, hochentwickelte Technologien für Montage und Packaging, angepasste Materialien und Verbindungstechniken. Besondere Fähigkeiten bestehen auf dem Gebiet der Verarbeitung optischer Sensoren, der Montage großer Chips (> 10 x 10 cm2) sowie der Verarbeitung von Chips mit TSV-Technologien. Neben Mustern und Kleinserien werden Stückzahlen im Millionenbereich produziert.
Dirk Ensminger betreut die Umsetzung der Kundenanforderungen in Prozesse für neue und laufende Produkte und stellte die angewandten Kerntechnologien vom Trennen des Wafers (bis 300 mm) und Reinigungen, Eingangs- und Ausgangsinspektionen, SMD-Montage, Chip- und Drahtbonden, Packaging und Verkapselung über die optische Kontrolle bis zum elektrischen Test vor. Die Chipmontage erfolgt beispielsweise im Keramikgehäuse, abgedeckt mit Glasdeckeln, Filterglas bzw. Linsensystemen oder in einem COB-Prozess, gebondet auf Leiterplatten. Die Montage muss mit äußerster Präzision mit optimiertem thermischem Management erfolgen. Wesentlich sind die Zuverlässigkeitsanforderungen hinsichtlich Lebensdauer, getestet mit Temperaturzyklen und -Lagerung.
Schlüsselprodukte der FSP sind Kameramodule mit Bildsensoren für Zeilenscan-, Flächen- oder ToF-Imaging bzw. entsprechende Boards. Die Verarbeitung solcher Bildsensoren erfordert für die verschiedenen Anwendungen angepasste Reinräume, ausgenommen Wafersägen und mechanische Bearbeitungen sowie Testprozesse. Deshalb hat das Unternehmen einen 2700 m2 großen Reinraumbereich eingerichtet, der in Flächen der ISO-Klassen 8 bis 5 in unterschiedlicher Größe aufgeteilt ist. Dirk Ensminger erläuterte einige Applikationen des Unternehmens, beispielsweise die ‚REAL3 3D'- und andere BGA-Bildsensoren. Verwendung finden die Sensoren in beispielsweise in Fahrerassistenz -Systemen.
Verwertung von zinn- und edelmetallhaltigen Abfällen
Abfälle der Elektronikproduktion sind schon immer kritisch, da mit Schadstoffen, als auch mit hochwertigen Materialien belastet. Dan Mutschler von MTM Ruhrzinn Essen erläuterte deshalb Gedanken zur Verwertung von zinn- und edelmetallhaltigen Abfällen. Er begann mit den Worten: „Stell dir vor, wir sitzen auf nachhaltigen Rohstoffen und keiner nutzt sie!“ und erwähnte eine Besucherbefragung auf der ‚SMT Connect 2022' zum Recycling von Zinn. Gefragt wurde zu den Vorbehalten, ob recyceltes Lötzinn die gleiche Qualität wie neues Lötzinn aufweist, ob der Befragte recyceltes Zinn mit gleicher Qualität einsetzen würde und ob er bereit ist, dafür mehr zu zahlen. 59 % hatten keine Meinung zu diesem Thema, 33 % hatten Vorbehalte und nur 8 % der Befragten äußerten Interesse. Davon war wiederum nur ein geringer Teil bereit, auch einen höheren Preis zu zahlen.
Dan Mutschler beschrieb, dass aus Altlot, Krätzen und Aschen, Lotpastenresten und von Kontaktstiften hochwertige Lote hergestellt werden können. Die Ökobilanz ist dabei sehr gut (< 1 % der Energie, 1 % CO2), für Gold, Kupfer, Blei und Silber sieht die Ökobilanz ähnlich gut, teilweise besser aus. Es existieren auch neue Verfahren zur Aufbereitung beispielsweise zur chemischen Trennung statt der bisher üblichen thermischen Behandlung für Lotpasten. Die Mehrwerte für die Elektronikfertiger sind die zertifizierte Nachhaltigkeit und eine optimierte Elektronikfertigung, sowie ein rechtssicheres Abfallmanagement.
Kontaktthermografie – ein zerstörungsfreies Prüfverfahren für Sinterverbindungen
Anknüpfend an den Vortrag von Steffan Kempe beschrieb Oliver Albrecht von der Technischen Universität Dresden, Zentrum für mikrotechnische Produktion, einen neuen Ansatz zur Inspektion von Sinter- und Lötverbindungen für die Chipmontage in der Leistungselektronik. Die Röntgen-Radiografie und bedingt die Ultraschallinspektion sind für gelötete Dies serientaugliche zerstörungsfreie Prüfverfahren (zfP). Für Sinterverbindungen jedoch gibt es momentan keine serientaugliche zfP. Strahlungsthermografie ist nicht geeignet. Im BMWi-ZIM-Projekt entschied man sich für die Kontaktthermografie und entwickelte einen angepassten Inspektionsheizer, bestehend aus Heizsensor, eingebettet in einem Kontaktstempel und angeordnet in einem automatisierten Prüfstand. Dadurch ist eine zeitlich und thermisch aufgelöste Messung des Entwärmungsvorgangs nach thermischer Anregung durch Heizen (Wärmeflussmessung) möglich. Entwickelt wurde ein Algorithmus zur schnellen Bewertung des Wärmetransfers. Oliver Albrecht stellte die nunmehr vierte Generation der Inspektionsheizers vor und beschrieb erfolgversprechende erste Ergebnisse. Bei diesem 81. Treffen des Arbeitskreises konnten die Teilnehmer interessanten Vorträgen folgen. Dieses Programm und ein hochinteressanter Rundgang durch die Fertigung der ‚dresden elektronik' regte wieder zu intensiven Fachgesprächen an. Vielen Dank den Kollegen der ‚dresden elektronik', die dieses Treffen in ihrem Hause ermöglichten und hervorragend organisierten.
Weitere Informationen
Sächsischer Arbeitskreis Elektronik-Technologie: avt.et.tu-dresden.de/saet/Arbeitskreis/
dresden elektronik ingenieurtechnik': www.dresden-elektronik.de