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Montag, 04 März 2024 10:59

X-Fab-Ausbau in Dresden und ein König im Reinraum – Imec erwägt womöglich Niederlassung in Sachsen

von Heiko Weckbrodt
Geschätzte Lesezeit: 5 - 10 Minuten
Blick in die Mikrooptik-Produktion bei Jenoptik Jena – so ähnlich sieht es künftig in der neuen Fab Dresden aus. Blick in die Mikrooptik-Produktion bei Jenoptik Jena – so ähnlich sieht es künftig in der neuen Fab Dresden aus. Bild: Jeibmann Photographik, Torsten Proß, für Jenoptik

Nach einer kleinen Wackelpartie im Zuge der Ampel-Haushaltskrise in Berlin sind die Subventionszusagen für TSMC & Co. für die Ansiedlung und Ausbauten in der ostdeutschen Mikroelektronik anscheinend nun wieder gesichert. Das sorgt gerade im Mikroelektronik-Cluster in und um Dresden für Erleichterung. Nun dreht sich auch das Personalkarussell wieder – und die nächsten Investitionen sind in der Pipeline.

Parallel zu Infineon, TSMC und Bosch baut auch die ‚X-Fab' angesichts der starken Nachfrage für Auto- und Industrieelektronik aus Sachsen ihre Dresdner Chipfabrik aus. Der europäische Halbleiter-Auftragsfertiger (Foundry) investiert dafür bis Anfang 2025 rund rund 43,5 Mio. $ (40,3 Mio. €) in neue Fertigungsanlagen und einen Erweiterungsbau, kündigte Frank-Michael Schulze vom Projektstab an.

Der neue Trakt soll künftig die bisherige Fabrik und das Testzentrum von X-Fab Dresden nahtlos zu einem großen Reinraum verbinden. Insgesamt sollen durch den Ausbau die Produktionskapazitäten in Dresden um zehn Prozent auf dann rund 11.500 Chipscheiben-Starts (Wafer) pro Monat steigen, informiert Schulze. Mit dem neuen Brückenbau erweitere sich zugleich die verfügbare Reinraum-Produktionsfläche um 280 auf dann 3.680 m2.

Je nach Marktentwicklung und Auftragslage könne dieser Verbindungsbau modular um weitere Baukörper ergänzt werden. In Summe könnte die X-Fab auf diese Weise in der bisherigen Lücke zwischen Fab und Testzentrum zusätzlich rund 2.000 m2 Reinraumfläche schaffen. Darüber hinaus gibt es bereits Vorplanungen für mögliche weitere Ausbauschritte.

Die Fabrik in Dresden gehört mit bisher 3.400 m2 Reinraumfläche und reichlich 10.000 Wafer-Starts pro Monat zu den kleineren und älteren Fabs im X-Fab-Verbund, wurde allerdings seit der Wende mehrmals modernisiert und neu ausgerüstet. Beispielsweise stellten die Eigentümer die Dresdner Fab zwischen 2009 und 2014 auf 200-mm-Wafer um. Der nun gestartete Neubau ist insofern als weiterer Schritt in Richtung einer Großfabrik zu sehen.

Blick in das Dresdner Chipwerk von X-FabBlick in das Dresdner Chipwerk von X-Fab

Royaler Besuch – Flamen und Sachsen wollen enger kooperieren

Für diese Ausbaupläne bekam das Unternehmen übrigens royale Unterstützung: Kurz nach der Grundsteinlegung besuchte der belgische König Philippe das Dresdner Werk von X-Fab. Und dies war mehr als nur eine Höflichkeits-Visite, denn der Monarch hatte Wirtschaftspolitiker und Elektronikforscher mitgebracht. Ein Grund: Flämische, sächsische und französische Mikroelektronik-Forscher wollen künftig enger zusammenarbeiten. „Wir wollen unsere Kooperation vertiefen“, kündigten unisono Strategiechef Jo De Boeck vom ‚Interuniversity Microelectronics Centre' (IMEC) aus Löwen und Prof. Harald Schenk vom Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) beim Königs-Besuch in Dresden an. Neben dem Imec und Fraunhofer gilt das Halbleiter-Forschungszentrum Cea-Leti im französischen Grenoble als Dritter im Bunde.

Diese führenden europäischen Akteure planen unter anderem, eine gemeinsame ‚Paneuropäische Plattform' für die Forschungsproduktion neuer Schaltkreise und Chiptechnologien aufzubauen. Insgesamt sollen in diese virtuell vernetzten Pilotlinien 850 Mio. € Euro oder womöglich sogar über 1 Mrd. € im Zuge des ‚Europäischen Chipgesetzes' fließen.

Die Flamen wollen sich dabei auf besonders schnelle Schaltkreise der Struktur-Generation 5 Nanometer und tiefer konzentrieren. Diese ‚Leading Edge'-Projekte sollen Europas Halbleiterfertigung technologisch auf ein Niveau mit TSMC, Samsung und Intel katapultieren. Die Franzosen möchten derweil ihre stromsparende ‚Silicon on Insulator'-Technologie (SOI) weiter verbessern. Und die Sachsen widmen sich heterogenen Schaltkreisen, die aus unterschiedlich gefertigten Einzelteilen einen scheinbar monolithischen Multifunktions-Chip bilden.

Die Flamen erwägen in diesem Zusammenhang anscheinend, eine eigene IMEC-Niederlassung in Dresden zu gründen. Auf PLUS-Nachfrage hin wollte der frühere IMEC-Vizepräsident Ludo Deferm solch einen Plan zwar nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. Es gebe keine konkreten Pläne , sagte er, andererseits sei solch eine IMEC-Dependence in Sachsen keineswegs ausgeschlossen, „wenn wir hier willkommen sind“.

Frank BösenbergFrank Bösenberg

Silicon Saxony begrüßt Ampel-Einigung auf Chipfabrik-Subventionen

Generell ist die sächsische Mikroelektronik-Szene wieder in Aufschwunglaune – nach einer temporären Stimmungsdelle. Die war im Zuge der Ampel-Haushaltskrise entstanden, als zeitweise sogar unsicher war, ob die deutschen Subventions-Zusagen für die TSMC-Fabrikansiedlung in Dresden womöglich wackeln könnten. Inzwischen hat die Bundesregierung indes klar gemacht, dass die Zusicherungen an die Taiwanesen weiter stehen. Das hat auch im Hightech-Branchenverband ‚Silicon Saxony' für Erleichterung gesorgt: „Nach unseren Informationen sind die geplanten Zuschüsse für die Mikroelektronik wie erwartet Teil der gefundenen Lösung, dies betrifft nicht nur Dresden und Magdeburg, sondern auch das Saarland“, erklärte ‚Silicon Saxony'-Geschäftsführer Frank Bösenberg. „Wir sehen uns in unserer Zuversicht aus dem November bestätigt und gehen davon aus, dass die Projekte weiterhin wie geplant umgesetzt werden.“

Allerdings seien weitere Schritte seitens der Regierung notwendig: „Im Sinne einer langfristigen Handlungssicherheit halten wir jedoch auch an unserer Forderung nach einer nationalen Mikroelektronikstrategie sowie den anderen Handlungsempfehlungen aus unserem Positionspapier Mikroelektronik 2030+ fest“, betonte Bösenberg.

In diesem Papier fordern die Vertreter der sächsischen Technologie-Industrie unter anderem ‚Sondervermögen Souveränitätsfonds', um weitere Mikroelektronik-Investitionen in Deutschland zu finanzieren. „Die derzeit vom Bund bereitgestellten rund 20 Mrd. € sind bereits weitestgehend ausgeschöpft“, heißt es in dem Dokument. Daher seien eine ‚nationale Strategie' für den Ausbau der Halbleiterindustrie in Deutschland und langfristige Förderprogramme nötig. Zudem solle künftig allein der Bund und nicht mehr anteilig auch die jeweiligen Bundesländer die Ansiedlungs-Subventionen zahlen. Für die nationale Mikroelektronik-Strategie schweben dem Verband dabei rund 8,3 Mrd. € Finanzausstattung pro Jahr vor.

Bosch-Manager wird Präsident von TSMC-Tochter in Dresden

Christian KoitzschChristian KoitzschDa nun feststeht, dass die Beihilfen für TSMC nicht doch noch in letzter Minute kippen, stellen die Taiwanesen schon die nächsten Weichen in Dresden: Sie haben den bisherigen Bosch-Dresden-Chef Christian Koitzsch zum ‚Steuermann' ihrer geplanten Chipfabrik in Sachsen gemacht. Zum Jahresbeginn 2024 ist Koitzsch damit Präsident des neuen Gemeinschaftsunternehmens ‚European Semiconductor Manufacturing Company' (ESMC) geworden, das die Taiwanesen gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP gegründet haben, um ihr erstes europäisches Halbleiterwerk in Sachsen zu bauen und zu betreiben – die Fab soll rund 10 Mrd. € kosten.

Koitzsch’ Nachfolger in der Bosch-Chipfabrik wird Dirk Drescher. Der Dresdner Physiker war zuletzt Operativ-Vizepräsident bei Auftragsfertiger X-Fab gewesen. „Es ist wirklich beeindruckend, den Tatendrang, den Teamgeist und die Intelligenz des Dresdner Teams zu erleben“, erklärte er zum Wechsel zu Bosch.

Jenoptik setzt in Dresdner Mikrooptik-Fab auf Elektronenstrahlbelichter

Derweil gibt es auch neue technologische Weichenstellungen in Dresdens Hightech-Fabriken. So schafft sich beispielsweise Jenoptik für über 10 Mio. € eine moderne Elektronenstrahl-Lithografie-Anlage für sein neues Mikrooptik-Werk in Dresden an.

Mit dem Elektronenstrahl-Belichter der Jenaer Firma ‚Vistec' lassen sich besonders feine Strukturen bis hinunter zu zehn nm (Millionstel Millimeter) erzeugen. Mit den Elektronenstrahlern wolle man in Dresden zukünftig „hochpräzise mikrooptische Komponenten für Kunden aus dem Halbleiterbereich und der optischen Kommunikation herstellen“, hieß es von den Jenaern. Der Hersteller wolle die neue Lithografiealage Anfang 2025 liefern.

Jenoptik stellt seit 2007 in Dresden Mikrooptiken her, insbesondere für die sächsische Halbleiterindustrie. Bisher ist die Produktion allerdings über mehrere kleine Standorte im Stadtgebiet verstreut. Daher baut das Unternehmen derzeit in der Nähe der Bosch-Chipfabrik im Dresdner Norden für 70 Mio. € eine neue, größere Fabrik. Sie soll 2.000 m2 Reinraum umfassen und 120 Menschen beschäftigen.

Übrigens haben Hersteller und Kunde bei diesem konkreten Geschäft die gleichen Wurzeln: Sowohl Jenoptik wie auch Vistec gehen auf das Kombinat x zurück, das ab den frühen 1970ern die ersten kommerziellen Elektronenstrahl-Belichter unter dem Namen ‚Zeiss-Belichtung-Anlage' (ZBA) verkaufte. Jenoptik beschäftigt insgesamt 4.400 Menschen, bei Vistec sind es 110 Leute.

Piko-Greifer für Mini-Roboter

Und auch in der Vorlaufforschung gibt es bemerkenswerte Erfolgsmeldungen: Auf ihrem Pfad hin zu ‚lebendigen' Medizin-Nanorobotern ist Forschern aus Sachsen und China nach eigenen Angaben ein wichtiger Schritt gelungen: Sie haben winzig kleine Federn konstruiert, die sich magnetisch steuern lassen. Damit hergestellte Piko-Greifer und Roboterpinguine sind so ‚feinfühlig', dass sie mit wenigen Billionstel Newton (‚Pikonewton') Krafteinsatz beispielsweise Spermien oder andere biologische Zellen fassen und abtasten können.

Anwendungschancen sehen die beteiligten Wissenschaftler aus Chemnitz, Dresden und Shenzhen unter anderem in der Medizin: „Ferngesteuerte Mikrogeräte, die magnetische Felder nutzen, sind eine besonders vielversprechende Technologie für nicht-invasive medizinische Anwendungen“, meint TUC-Professor Oliver Schmidt, der diese Forschungsarbeit betreut hat. „Dies gilt nun auch für die Mechanik innerhalb dieser ferngesteuerten Mikrogeräte.“

Die neue Fertigungstechnologie ähnelt den Herstellungsmethoden, die Chipfabriken für die Schaltkreis-Produktion einsetzen. Das Pikofeder-Team setzt dabei auf Photolacke mit magnetischen Nanopartikeln, die an den gewünschten Stellen durch Lithografieanlagen belichtet und ausgehärtet und an den überflüssigen Stellen, an denen keine Magnetfelder wirken sollen, entfernt werden. Im Vergleich zu bereits heute verfügbaren Mikrofedern, wie sie beispielsweise für Auto-Airbags hergestellt werden, sind diese neuen Pikofedern deutlich kleiner (rund 10 µm) und weicher, zudem können sie auch mit Objekten von nur wenigen Millionstel Milligramm hantieren.

‚Mikropinguin‘ mit Pikonewton-Flossen schwimmt durch eine Flüssigkeit‚Mikropinguin‘ mit Pikonewton-Flossen schwimmt durch eine Flüssigkeit

Über 17 Mio. € für ‚grüne' Elektronik

Ein ganzes Stück näher an der Praxis ist da ein weiteres Entwicklungsprojekt in Sachsen: Ein Dresdner Verbund unter Infineon-Führung bekommt 17,7 Mio. €, um neue Mikroelektronik und Fertigungsmethoden für umweltfreundlichere Fahrzeuge zu entwickeln. Zum Projekt ‚Grüne Mobilität 'made in Saxony' – Innovative Lösungen für zukunftsweisende Automobil- und Industrieanwendungen (Future Mobility)' haben sich demnach Infineon Dresden und zehn weitere Unternehmen und Institute zusammengetan.

Die Partner wollen gemeinsam „innovative Lösungen für Mikrocontroller und Leistungshalbleiter von ersten Produktideen bis zur Hochvolumenfertigung“ erarbeiten. Im Fokus stehen unter anderem effiziente Verfahren für das Design von Mikrocontrollern, neue Produkt- und Technologieentwicklungen für Leistungshalbleiter sowie Prozessinnovationen für eine moderne, effiziente Hochvolumenfertigung. Zudem konzentrieren sich die Projektpartner auch auf Themen, wie die digitale Transformation und die künftige Gestaltung menschenzentrierter Arbeitsplätze in einer Hochvolumenfertigung.

Wandelbots schließt Hardware-Sparte

Derweil gibt es allerdings auch Rückschläge für den Standort. So musste der Dresdner Robotik-Pionier und Hoffnungsträger ‚Wandelbots' nun seine Hardwaresparte schließen und sich von über einem Drittel der Belegschaft trennen. Grund: Die Anlernstifte und -jacken der Sachsen für die Roboterschulung sind in der Wirtschaft doch nicht so gut angekommen wie erhofft. Das Gründerteam um Christian Piechnick will das Unternehmen nun als reine Softwareschmiede für Robotiklösungen fortführen.

Zuvor hatte Wandelbots überregional mit neuen Ansätzen für das rasche Anlernen von Robotern für Furore gesorgt: Mit Sensorjacken und Werkzeugstiften konnten Facharbeitern ihren stählernen Kollegen neue Arbeitsgänge vorführen und die machten diese Bewegungen dann nach – ganz ohne die Hilfe von Programmierern. Das Konzept vermochte sich aber offensichtlich in der Industrie und im Handwerk doch nicht so recht durchsetzen.

Als Kernprodukt will das Wandelbots-Team daher nun seine Software weiterentwickeln, mit der sich Roboter verschiedener Hersteller und Typen ohne Spezial-Programmierkenntnisse für neue Aufgaben anlernen lassen. Diese eigenen Programme möchten die Dresdner mit der virtuellen Fabrik-Simulation ‚Omniverse' des Grafikchip-Konzerns ‚Nvidia' koppeln. Damit könnte Wandelbots seinen Kunden virtuell vorbereitete Lösungen für Automatisierungslücken anbieten und dann hierfür die Roboter programmieren. Als Zielgruppen dafür sehen sie einerseits Systemintegratoren, Maschinenbauer und andere Automatisierer, denen die Wandelbots-Software die Programmierung verschiedener Robotermodelle – als Vermittler zwischen der Spezialsoftware der Roboter und allgemeiner Programmiertätigkeit à la Python – erleichtern soll. Die Komplettsimulationen sind andererseits für kleinere und mittlere Unternehmen gedacht, die bereits einige Roboter im Produktionseinsatz haben, aber die Automatisierung weiter hochschrauben wollen.

Heiko Weckbrodt

Zur Person

Heiko Weckbrodt ist Journalist und Historiker. In Dresden betreibt er das Nachrichtenportal Oiger.de mit dem Fokus Wirtschaft, Wissenschaft und Innovationspolitik in Sachsen. Er verfasst zudem Gastbeiträge für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften und ist Autor des Sachbuchs ‚Innovationspolitik in der DDR 1971-89'.

Quellen

X-Fab, Silicon Saxony, Jenoptik, Vistec, Wandelbots, SMWA, Infineon, TU Chemnitz

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 2
  • Jahr: 2024
  • Autoren: Heiko Weckbrodt

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