Eugen G. Leuze Verlag KG
×
 x 

Warenkorb leer.
Warenkorb - Warenkorb leer.
Donnerstag, 21 März 2024 10:59

Hohlleiterstrukturen in Leiterplatten – HL-Hochfrequenzsysteme in Standardleiterplattentechnik durch clevere Signalleitung

von Dr. Valentin Christ
Geschätzte Lesezeit: 4 - 8 Minuten
Finales Design: Aufbau des Demonstrators Finales Design: Aufbau des Demonstrators

Der Leiterplattenproduzent Becker & Müller stellt als Resultat eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Gemeinschaftsprojekts mit der TU Berlin eine Technik vor, die es erlaubt, gesamte Hochfrequenzsysteme bei geringen Signalverlusten äußerst kostengünstig zu fertigen.

Bei dieser Technik werden miniaturisierte Hohlleiterstrukturen in konventioneller Leiterplattentechnik gefertigt. Auf Grundlage dieses Konzepts konnten verlustarme Strukturen bis ≤ 140 GHz aufgebaut und vermessen werden, wobei das Systemkonzept wesentlich höhere Frequenzen ermöglicht. Neben einfachen Punkt-zu-Punkt-Leitungen wurden Verzweigungen mit einstellbaren Teilungsverhältnis, Filterstrukturen und Antennen zur Abstrahlung entlang der Oberfläche der Leiterplatte und senkrecht dazu entwickelt. Alle Leitungsteile sind so konzipiert, dass sich ein Anwender sein Zielsystem frei aus den einzelnen Blöcken auf der Leiterplatte konfigurieren kann.

Immer höhere Frequenzen als Anspruch

Aktuelle und zukünftige Kommunikationssysteme wie 5G, 6G und Radar-Sensorik arbeiten bei immer höheren Frequenzen, um die daraus resultierenden Vorteile bei der Datenrate bzw. Messgenauigkeit nutzen zu können. Die Verfügbarkeit entsprechender hochfrequenter Sende- und Empfangschips ist aber nur eine Seite der Medaille. Die elektronischen Einzelkomponenten müssen schließlich zu einem Gesamtsystem zusammengefügt werden. Hier gerät die etablierte Leiterplattentechnik als bisheriger Favorit im Hinblick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis in Bedrängnis: „Durch den sogenannten Skin-Effekt werden die hohen Frequenzanteile vornehmlich an der Oberfläche der Leiterzüge geleitet“, erklärt Janik Becker, Geschäftsführer von Becker & Müller Schaltungsdruck. „Dort sehen die Signale aber viel von dem Leiterplattenmaterial, das signifikant Leistung absorbiert. Auch der Einsatz teurerer Hochfrequenz-Leiterplattenwerkstoffe und ein elektromagnetisches Design mit Abschirmungsleitern helfen nur bedingt, die basismaterialbedingte Signalabsorption zu begrenzen. Damit ist die bisherige Leiterplattentechnik nur bis ca. 60 GHz sinnvoll nutzbar.“

Wie kann diese Limitierung nun aufgelöst werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines mit Bundesmitteln geförderten Gemeinschaftsprojekts namens ‚Tera-Hertz-PCB: Entwicklung von Designrichtlinien und Fertigungsprozessen zur Integration von Terahertz-Systemen in Standard-Leiterplatten'. Projektpartner waren zum einen die renommierte Technische Universität Berlin, zum anderen der Leiterplattenfertiger Becker & Müller als mittelständischer Familienbetrieb mit Sitz im süddeutschen Steinach im Kinzigtal.

Als Kernprämissen des Projekts stand die Nutzung bereits in der Leiterplattenfertigung vorhandener Produktionsmaschinen in Verbindung mit der Suche nach einer kostenoptimierten Lösung. „Die Grundidee des Lösungskonzepts war, durch Fräsprozesse Hohlleiter in den Leiterplatten zu erzeugen, die Hohlleiter galvanisch zu metallisieren und die Struktur mit einem Metallplättchen, z. B. im Zuge der SMD-Bestückung, zu verschließen“, erläutert Janik Becker. „So bildet sich ein geschlossener Hohlleiter, wobei das im Inneren geführte Signal gar nicht mehr mit dem Leiterplattenmaterial wechselwirkt, das ist ja jenseits der Metall-Barriere. Das bedeutet, dass wir hier das vergleichsweise günstigste FR4-Material verwenden können – auch für sehr hohe Frequenzen weit jenseits der 100 GHz.“

Weiterhin bietet diese Technik die Möglichkeit, Antennen direkt zu integrieren: Einmal als trichterförmige Erweiterungen des Hohlleiters im Sinne einer Hornantenne am Leiterplattenrand für die seitliche Abstrahlung, zum anderen als Schlitzantenne durch Aussparungen im Deckelplättchen zur Abstrahlung senkrecht bzw. in einem durch den Schlitzabstand definierten Winkel zur Leiterplattenoberfläche. Ergänzt wird der so entwickelte Systembaukasten durch Hohlleiterstrukturen, die das Signal in einem definierten Leistungsverhältnis auf verschiedene Kanäle aufsplitten, Filterstrukturen, Kopplungspunkte zu klassischen Leiterzügen auf der Leiterplattenoberfläche und gebogene Leiterzüge. „Diese Elemente wurden baukastenartig für das Leiterplattendesign aufbereitet, so dass der Kunde sein Hochfrequenzsystem einfach per Drag&Drop zusammenstellen und fertigen lassen kann.“ Laut Becker ein Mehrgewinn an Einfachheit, Komfort und Individualität.

Immer höhere Frequenzen als Anspruch

Abb. 1: Schema der Herstellung der HohlleiterstrukturenAbb. 1: Schema der Herstellung der HohlleiterstrukturenIn der Entwicklung war es wichtig, stets kompatibel zu den Standard-Leiterplattenprozessen zu bleiben, um die neuartige PCB-integrierte Hohlleitertechnologie kosteneffizient in neue Systeme integrieren zu können. Abbildung 1 zeigt schematisch die Herstellung der Hohlleiterstrukturen. Als Erstes – vgl. Abbildung 1 (a) – wird eine Leiterplatte wie gewöhnlich mit allen benötigten Innenlagen hergestellt. Im nächsten Schritt – (Abb. 1 (b)) – wird die Hohlleiterstruktur in das PCB-Material gefräst. Die Abmessungen der Hohlleiter sind dabei von den zu leitenden Frequenzen abhängig, für 60 GHz z. B. 2.8 mm breit und 0.8 mm tief. Die Wände der so erzeugten Vertiefungen werden dann galvanisch mit Cu beschichtet (ca. 30 µm), siehe Abbildung 1 (c). Um den Hohlleiter zu schließen, wir ein passend geschnittenes 70-µm-Kupfer-Deckblech, hier lasergeschnitten, an den Rändern der Gräben angelötet, wie in Abbildung 1 (d) zu erkennen. Diese Bestückung mit den Blechen kann beispielsweise im Schritt der SMD-Bestückung mit erfolgen.

Basierend auf dieser Technik wurden folgende funktionale Blöcke realisiert:

  • Leitungsabschnitte
  • Ein- und Auskoppelstrukturen zu (koplanaren) Streifenleitungen auf der PCB-Oberfläche
  • Hornantennen mit Abstrahl-Charakteristik ausgehend von den Seiten der PCB
  • Schlitzantennen zur Abstrahlung senkrecht zur PCB-Oberfläche (oder in einem definierten Winkel dazu gekippt)
  • Verzweigungen mit definiertem Teilungsverhältnis der Signalstärke
  • Frequenz-Filter-Strukturen

Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt

Vergleich mit konventionellen Leitungsstrukturen

In der HF-Technologie wird typischerweise auf Mikrostreifen oder Ground-Koplanarleitungen gesetzt. Diese haben den Vorteil, dass sie schon bei Gleichstrom für das Transportieren von Leistung verwendet werden können. Dafür haben diese Leitungen bei höheren Frequenzen zusätzliche Verluste durch das Substratmaterial, aber auch gleichzeitig durch Rauigkeit an den verschiedenen Interfaces zwischen Metall und Substrat. Um diese Herausforderungen zu lösen, kann man solche Leitungen auch in Hohlleiterform umsetzen und, wie beschrieben, direkt in die Leiterplattentechnologie integrieren. Die Hohlleiter haben aber den Nachteil, dass sie keine klassischen TEM-Moden aufweisen, sondern entweder ein TE- oder TM-Mode. Dadurch ist die Cutoff-Frequenz direkt abhängig von den Abmessungen des Hohlleiters (nur mit TEM-Moden gibt es eine Leitung bei Gleichstrom). Bei Vergleich von beiden Leitungstypen ergibt sich deswegen das Bild, dass die klassischen Leitungstypen bis ca. 50 GHz bessere Performance zeigen als der demonstrierte Hohlleiter. Der Grund ist, wie beschrieben, dass die Cutoff-Frequenz bei ca. 60 GHz liegt. Anschließend bleiben die Verluste über den Hohlleiter relativ stabil, wobei die Verluste bei der konventionellen Leitung weiter abfällt.

Abb. 2: Performance eines Hohlleiters aus dem gemeinsamem Forschungsprojekt von Becker & Müller und der TU BerlinAbb. 2: Performance eines Hohlleiters aus dem gemeinsamem Forschungsprojekt von Becker & Müller und der TU Berlin

Bestandteile und ihre Leistungscharakteristik

Innerhalb des Projektes wurden verschiedene Teilkomponenten untersucht. Diese sind im Detail direkt in der Vorgehensweise innerhalb des Projektes abzulesen (siehe Abb. 3). Dabei lag der Fokus darauf, diese Teilsysteme innerhalb des Projektes so aufzubereiten, dass aus ihnen später bausteinartig beliebige Systeme aufgebaut werden können.

Die Leitung sowie die Antennen, Filter und Power-Divider-Strukturen (Signal/Leistungs-Verzweigung) wurden im Detail designt und elektrisch charakterisiert. Als Beispiel sind in diesem Artikel die Hornantennen (siehe Abb. 4) sowie die Power Divider (Abb. 5) und deren Performanz bei Frequenzen jenseits von 100 GHz dargestellt. Es zeigt sich, dass die Strukturen deutlich leistungsstärker als vergleichbare Strukturen in planarer Technologie sind. Diese Strukturen wurden anschließend in eine Datenbank überführt, welche PDK genannt wird. PDK steht für ‚Physikalische Designer Kits'.

Abb. 3: Darstellung der Vorgehensweise innerhalb des ProjektsAbb. 3: Darstellung der Vorgehensweise innerhalb des Projekts

Abb. 4: Ergebnisse der Hornantennen (l.: Struktur, m.: Gain, r.: Reflektionsfaktor)Abb. 4: Ergebnisse der Hornantennen (l.: Struktur, m.: Gain, r.: Reflektionsfaktor)

Abb. 5: Darstellung der Ergebnisse für den Power Divider und KopplerAbb. 5: Darstellung der Ergebnisse für den Power Divider und Koppler

Anwendung der PDKs

Nachdem die PDKs abgeleitet wurden, konnte auf deren Basis ein Demonstrator-System zusammengestellt werden. Bei diesem handelt sich um einen 79-GHz-Short-Range Radar. Aus den vorhandenen PDKs (siehe Abb. 6) wurden anschließend Strukturen ausgewählt, welche für den Demonstrator im Layout zusammengesetzt wurden.

Typischerweise wird für solche eine Schaltung ein Schaltplan entworfen. In dem Schaltplan wurde direkt die PDK-Modelle mit integriert, damit die Strukturen direkt beim Layout mit platziert werden können. Das Finale Layout mit der PDK-Struktur ist in Abbildung 7 dargestellt.

Anhand von Design-Regeln wird dann geprüft, dass Leitungen oder Abstände so groß wie nötig, aber so klein wie möglich sind. Basierend auf diesen Informationen werden zuerst die kritischen HF-Leitungen sowie die Stromversorgung angeordnet und anschließend die restlichen Bauteile platziert. Das finale Design ist eingangs des Artikels dargestellt.

Abb. 6: Darstellung der Struktur der PDKsAbb. 6: Darstellung der Struktur der PDKs

Abb. 7 : Schaltplan und Integration der PDK in den Altium-SchaltungsdesignerAbb. 7 : Schaltplan und Integration der PDK in den Altium-Schaltungsdesigner

Diskussionspunkte

Die Arbeiten haben gezeigt, dass es unter Einsatz von etablierter Leiterplattentechnik möglich ist, Hohlleiterstrukturen in Leiterplatten einzubringen. Dies kann so im Produktionsprozess eingebunden werden, dass eine weitere Bestückung der Leiterplatte wie gewohnt möglich ist.

Die Messungen haben bestätigt, dass für Anwendungen mit Frequenzen über 60 GHz die Hohlwellenleiterstrukturen signifikant verlustärmer sind – Faktor 2 (vgl. Abb. 2: Performance eines Hohlleiters aus dem Forschungsprojekt sowie die Abb. 4 und 5).

Zur einfachen Adaption der Technik auf neue Anwendungen wurden aus dem prinzipiellen Aufbau eines Hochfrequenzsystems Bausteine definiert, die es ermöglichen, solche Systeme – ohne Simulationen der Hochfrequenzeigenschaften – zusammenzustellen und dazu gleich die notwendigen Produktionsdaten zu liefern. Diese PDKs konnten erfolgreich in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, s. Abbildung 7.

Partner für das Designen von Hochfrequenzsystemen

Janik Becker zeigt sich mehr als zufrieden mit den Erkenntnissen: „Die Kooperation mit unseren Partnern von der TU Berlin war eine tolle Sache – technologisch wie auch persönlich. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projektes ist es für uns nun möglich, beim Designen von Hochfrequenzsystemen mittels Verwendung der PDKs unterstützend zur Seite zu stehen.“ Angesichts der Ableitung interner Designrules auf die jeweiligen Blöcke sowie deren Validierung sind dabei sowohl Funktion als auch Umsetzbarkeit der Hohlleiterstrukturen gegeben.

Erste Projekte für die praktische Umsetzung seien laut Janik Becker bereits in Planung.

Weitere Informationen

Onlineartikel Suche

Volltext

Autoren

Ausgabe

Jahr

Kategorie

Newsletter

Auf dem Laufenden bleiben? Jetzt unsere Newsletter auswählen und alle 14 Tage die neuesten Nachrichten in Ihrem E-Mail Postfach erhalten:

Der Leuze Verlag ist die Quelle für fundierte Fachinformationen.
Geschrieben von Fachleuten für Fachleute. Fachzeitschriften und Fachbücher
rund um Galvano- und Oberflächentechnik sowie Aufbau- und Verbindungstechnik in der Elektronik –
seit 120 Jahren professionelle Informationen und Fachwissen aus erster Hand.

UNTERNEHMEN

ZAHLARTEN

Paypal Alternative2Invoice
MaestroMastercard Alternate
American ExpressVisa

Zahlarten z.T. in Vorbereitung.

KONTAKT

Eugen G. Leuze Verlag
GmbH & Co. KG
Karlstraße 4
88348 Bad Saulgau

Tel.: 07581 4801-0
Fax: 07581 4801-10

E-Mail: [email protected] oder
E-Mail: [email protected]