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Donnerstag, 30 Mai 2024 11:59

EMV-Multilayer-Lacksysteme

von R. Kemter
Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten

Neuartige EMV-Lacksysteme unter Nutzung von Multilayer-Konzepten für eine bessere Schirmdämpfung der Zukunft im Frequenzbereich von 2 MHz bis 1,4 GHz – Simulation und Messung

1. Einleitung

Alle technischen Metallgehäuse, Leitungsschirme, Steckergehäuse und Bleche, welche metallische herkömmliche Cu-Lacke nutzen, haben einen großen Nachteil. Zwar ist eine gute prinzipielle Schirmdämpfung der Endaufbauten in der Praxis vorhanden, aber nicht über den gesamten Frequenzbereich. Laut Schwab/Kürner haben wir es im Bereich der Resonanzfrequenzen der praktischen Geometrien, auch mit EMV-Leitlacken, mit den ‚Resonanzkatastrophen' [1] zu tun, in denen die Schirmdämpfung empfindlich einbricht. Diesen Effekt weisen alle heutigen EMV-Lacke, welche auf praktischen Aufbauten gebracht werden, auf. Im Folgenden wird dieses Problem an einem Metallgehäuse, welches einen metallischen Außenlack besitzt, erklärt.Abb. 1: Schirmdämpfung S eines Gehäuses in dB in Abhängigkeit der Frequenz, höchste Schirmung bei – 80 dB, geringste Schirmdämpfung bei 0 dB [4]

Die theoretischen Resonanzen eines Metallgehäuses sind in Tabelle 1 zu sehen.

Tab. 1: Theoretische Resonanzfrequenzen je Hohlleitermodi für einen Metallschrank 

Nr.

Resonanzfrequenzen je Hohlleitermodi

Genaue Resonanzfrequenz

1

f 101

330,6 MHz

2

f 201

463,3 MHz

3

f 301

624,6 MHz

4

f 110

203,2 MHz

5

f 102

576,3 MHz

6

f 011

283,6 MHz

7

f 111

339,9 MHz

8

f 010

78,8 MHz

Bei diesen realen ‚Resonanzkatastrophen' bricht die Schirmdämpfung bei rund 250 MHz auf 5 dB ein. Dieser Effekt der sinkenden Schirmdämpfung und der Resonanzminima besitzen als Nachteil alle Metallgehäuse und dies entspricht ungefähr einem Cu-lackbeschichteten Gehäuse von allen Anbietern. Somit besitzen alle leitfähigen praktischen Lackaufbauten den Nachteil der Schirmdämpfungseinbrüche.

Dieses Problem soll behoben werden. In der zu lösenden Aufgabe der Verbesserung der Schirmdämpfung von leitfähigen Lackaufbauten, wie einem Metallgehäuse, wird folgende These aufgestellt:

Mittels der Anwendung einer neuen Multilayer Lackschirmvariante mit einer einfachen Produkterweiterung sind die Schirmdämpfungswerte, dieser neuen technischen Aufbauten (Gehäuse, Leitungen, Stecker, Teilbleche) der Zukunft, entscheidend verbesserbar.

Im Folgenden wird dem Anwender aus theoretischer und praktischer Sicht eine Lösung unter Nutzung eines neuartigen EMV-Lacksystems vorgeschlagen.

2. Theoretische Simulation

Das technische Problem, welches in Kapitel 1 diskutiert wurde, wurde mittels einer analytischen Simulation theoretisch gelöst.

Bei den Lack-Multilayern wurden folgende Anfangswerte für die Simulation gewählt (Tab. 2):

Tab. 2: Anfangsparameter der Multilayer 
 

Layerdicke [mm]

t

Leitfähigkeit [S/m]

σ

Permeabilität [H/m]

μ

   

Erster Absorber

4

10-5

7500

Zweier Multilayer (2)

Vierer Multilayer (4)

Erstes leitfähiges Polymer

3

50000

10-4

Zweiter Absorber

3

10-5

7500

 

Zweites leitfähiges Polymer

4

60000

10-4

 

Abb. 2: Schirmdämpfung des zweier Multilayers abhängig von der Layerdicke bei einer Frequenz von 200 MHz

Für die Berechnung der Schirmdämpfung S [0] gilt.

T ist der Gesamttransmissionskoeffizient und berechnet sich mit:

Formel (2)

Bei tn handelt es sich um die Dicke des jeweiligen Layers und P lässt sich wie folgt bestimmen:

Formel (3)

Bei ηn handelt es sich um die jeweilige innere Impedanz des Layers. Um diese zu bestimmen ist es wichtig zu wissen, um was für eine Art von Layer es sich handelt.

Formel (4a)

Für einen Absorberlack gilt:

Formel (4b)

und für ein leitfähiges Lackpolymer:

Formel (5)

Bei σn handelt es sich um die elektrische Leitfähigkeit, welche in der vorigen Tabelle 2 zu finden ist. Die Permeabilität μn [2] aller Layer ist ebenfalls in Tabelle 2 zu finden. Für die Frequenz f fiel die Wahl auf 2 MHz. Schon in Formel (2), als auch in Formel (4a) taucht das Symbol γn auf. Dieses steht für die Ausbreitungskonstante des jeweiligen Layers und lässt sich wie folgt berechnen:

Der letzte fehlende Wert ist der Reflexionskoeffizient q. Seine Formel lautet:

Formel (6)

Das Tool soll dazu dienen, Voraussagen für das Verhalten und Hinweise des Multilayers zu treffen, deren Validierung dann durch nachfolgende Messungen erfolgt.

Eine Parameteränderung bei den Lack-Absorber-Layern ergibt laut den Simulationsergebnissen nur geringfügige Beeinflussungen des Betrags der Schirmdämpfung. Diese sollte vor allem bei den Lack-Polymerlayern vorgenommen werden. Hier zeigt die Erhöhung der Layerdicke eine größere Verbesserung der Schirmdämpfungswirkung, als bei der Leitfähigkeit.

Bei einem zweier Multilayer sollte, ausgehend von der Störquelle, zuerst der Absorber-Layer kommen, gefolgt von dem Lack-Layer des leitfähigen Polymers (siehe Abb. 3). Aufbauen darauf ergibt sich für den vierer Multilayer die Anordnung in Abbildung 4.

Bei der Simulation kann allerdings nicht die Wirkung der Absorber auf die Resonanzkompensation betrachtet werden. Dies muss in praktischen Untersuchungen erfolgen. Dabei spielt dann auch die Absorberwirkung eine Rolle. Je größer diese ist, desto höher sollte auch die Kompensation der Resonanzen sein. Auch sagen die Simulationsergebnisse, dass die Schirmdämpfungswirkung proportional zur Frequenz des von außen wirkendem elektromagnetischem Feld steigt.

Abb. 3: empfohlener Aufbau des Zweier-Lack-MultilayersAbb. 3: empfohlener Aufbau des Zweier-Lack-Multilayers

Abb. 4: empfohlener Aufbau des Vierer-LackMultilayersAbb. 4: empfohlener Aufbau des Vierer-LackMultilayers

3. Erste experimentelle Versuche mit einem neuartigen EMV Multilayer Lack

In einem ersten experimentellen Versuch hat die IMG ein eigenes Lack-Multilayersystem (nach den Vorgaben der theoretischen Simulation) entwickelt. Dieses Lack-System lässt einen positiven praktischen Effekt vermuten. Als Grundapplikation wurde ein Metallstecker genutzt. Auf diesen konnte mittels einfachster Technik der Multilayerlack gebracht werden. Ziel der Experimente ist der Vergleich der Störemission des alten Steckers zum neuen Stecker mit dem neuen EMV-Multilayer-Lacksystem. Die Messungen der Störemission wurden nach der Norm VG 95373/T15 im Frequenzbereich 1100 MHz – 1400 MHz im elektromagnetischen Absorberraum durchgeführt. In Abbildung 5 sind die Emissionskurve der Feldstärke des blanken Steckers ohne Lackbeschichtung, der Antenne ohne Stecker und des Steckers mit neuartiger EMV-Lackbeschichtung dargestellt worden. Zum Ergebnis der Anwendung des neuen Lacksystems ist zu konstatieren, dass die ausgesandte elektrische Feldstärke der Sendeantenne (blaue Kurve) zu sehen ist. Die Wirkung des Steckers mit der Sendeantenne ist mit orangener Farbe gekennzeichnet und die Wirkung des Steckers mit dem Multilayer-Lack ist mit grauer Kurve zu sehen. Die Erniedrigung der Feldstärke durch den Stecker und durch den Stecker plus EMV-Lack Multilayer liegt bei mind. 5 dB. Somit wurde die positive Wirkung des neuartigen EMV-Lackes experimentell nachgewiesen.

Abb. 5.: Feldstärkeemission an einem Steckverbinder mit und ohne neuartige Lackschirmschichten und an der SendeantenneAbb. 5.: Feldstärkeemission an einem Steckverbinder mit und ohne neuartige Lackschirmschichten und an der Sendeantenne

4. Zusammenfassung

In der Zusammenfassung werden Designhinweise zur Layerkonfiguration des neuartigen Multilayer-Lackes für eine verbesserte Schirmdämpfung vorgestellt.

Regeln für die optimale Layerkonfiguration

  • R1: Die Schirmdämpfung lässt sich vor allem durch die Erhöhung der Layerdicke der leitfähigen Polymere verbessern.
  • R2: Eine höhere Schirmdämpfung lässt sich durch einen Vierer-Multilayer in der Anordnung Absorber – leitfähiges Polymer – Absorber – leitfähiges Polymer erreichen.
  • R3: Eine Verbesserung des Zweier-Multilayers gegenüber dem Vierer-Multilayer ist nur durch die Erhöhung der Layerdicken zu erreichen.
  • R4: Der Einfluss der Materialwerte der Absorber sollte aufgrund der Resonanzkompensation unbedingt beachtet werden.

Limitation

Alle in diesem Bericht getroffenen Aussagen sind das Ergebnis von Simulationen. Ihre Richtigkeit muss noch durch praktische Messungen geprüft werden. Sie sollen als eine Empfehlung für den Aufbau des Zweier- und Vierer-Multilayers dienen. Die Werte des Betrags der Schirmdämpfung in diesem Bericht sind rein theoretischer Natur. Im praktischen Bereich können diese nie erreicht bzw. muss durch praktische Untersuchungen ein Korrekturfaktor ermittelt werden. Die für die Layer-Absorber und leitfähiges Polymer gewählten Werte sind dem Internet entnommen und sollen so einigermaßen die Realität widerspiegeln. Dem Anwender wird empfohlen, die Stoffwerte der von ihm verwendeten Werkstoffe bereitzustellen, um mit dem erstellten Simulationsprogramm Aussagen für diese treffen zu können. Das Simulationsprogramm kann nicht das Auftreten von möglichen Resonanzen berücksichtigen, da die Simulation eine feldtheoretische Analyse von ebenen Plattensystemen ist. Diese Resonanzen sollen vor allem durch die Absorber kompensiert werden. Eine Überprüfung des Ausmaßes dieser Wirkung muss noch durch praktische Messungen erfolgen. Stoffeigenschaften wie z. B. Gefügeeigenschaften sind im Programm nicht berücksichtigt. Somit kann am Ende der Ausarbeitung erklärt werden, dass die IMG ein Grundkonzept eines neuartigen Multilayerkonzeptes eines EMV-Lacksystems entwickelt hat, das auch selbst aufgebaut wurde. In Zukunft wird die IMG das neuartige EMV-Multilayer-Lacksystem im Hinblick auf einen größeren Frequenzbereich und einen verbesserten Lackaufbau weiter optimieren.

Literatur

[0] Leute, U.: Kunststoffe und EMV. Elektromagnetische Verträglichkeit mit leitfähigen Kunststoffen. Kontakt & Stu Band 678. Renningen: expert verlag (2016)
[1] Schwab; A., Kürner; W.: Elektromagnetische Verträglichkeit, 6. Auflage, Springer/ VDI Verlag, (2011), ISBN 978-3-642-16610-5, S. 258.
[2] Aron Tesfalem Berhe, Frank Gräbner: Einflüsse auf die Abschirmung. hf-praxis (2020), 3, S.34–37.
[3] Bronstein, Semendiajew, Musiol, Mühlig: Taschenbuch der Mathematik, Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten, (2013)
[4] MATECH Abschlussbericht ‚Passiver Schutz – Neue Materialien Neue Materialien und Technologien für wirksamen passiven elektromagnetischen Schutz zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Umweltverträglichkeit elektrotechnischer/ elektronischer Systeme und Visualisierung/ Sichtbarmachung elektromagnetischer Energien', BMBF Projekt der IMG (2001), 1, FZ Jülich.

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 5
  • Jahr: 2024
  • Autoren: R. Kemter*, B. Eng und F. Gräbner*, Ass. Prof.(BG) Dr.-Ing*, IMG Electronic & Power Systems GmbH, EMV-Forschung, An der Salza 8a, 99734 Nordhausen, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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