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Freitag, 26 Januar 2024 10:59

‚Wir gehen in die Tiefe‘ 2023

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Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten
Eindrucksvoll wie immer: Der Ballsaal des ‚Mighty Twice‘ als gediegener Veranstaltungsort Eindrucksvoll wie immer: Der Ballsaal des ‚Mighty Twice‘ als gediegener Veranstaltungsort Bild: mh

Im Herbst letzten Jahres lockte das Expertenseminar ‚Wir gehen in die Tiefe' über Trends der Aufbau- und Verbindungstechnik etliche Besucher nach Dresden.

Der Zeremoniar mit der Glocke: Erneut moderierte WgidT Prof. Dr.-Ing. Mathias Nowottnick, Universität RostockDer Zeremoniar mit der Glocke: Erneut moderierte WgidT Prof. Dr.-Ing. Mathias Nowottnick, Universität RostockSeit Jahren ist ‚Wir gehen in die Tiefe' (WgidT) eine feste Größe für den fachlichen Austausch über die Optimierung von Produktionsabläufen in der Elektronikfertigung. Auch 2023 war die Veranstaltung im Dresdner Hotel ‚Mighty Twice' ein vielerwartetes Event der zweiten Jahreshälfte. Zwölf Fachverträge, verteilt auf zwei Veranstaltungstage Ende September, warteten auf die Zuhörer – ebenso wie der hochgeschätzte Erfahrungsaustausch mit Experten und Kollegen. Die PLUS nahm am ersten Veranstaltungstag Ende September teil.

In der Branche genießt ‚Wir gehen in die Tiefe' Kultstatus. Die Fachvorträge und das ‚Must-see' der anwesenden Firmenvertreter wollten sich viele nicht entgehen lassen. Organisiert wurde das Expertenseminar dieses Mal nicht von Thorsten Schmidthausen (2ndMax), sondern von den Partnerfirmen ASMPT, ASYS Group, Christian Koenen, Rehm Thermal Systems, Vliesstoff Kasper und Stannol, die sich auf der begleitenden Ausstellung präsentierten. Es galt also organisatorisch Schmiedhausens ‚große Fußstapfen' zu füllen, was durchaus eine Herausforderung darstellte. Erneut übernahm Prof. Dr.-Ing. habil. Mathias Nowottnick, Universität Rostock, die Moderation von WgidT und kündigte mit prägantem Glockenklang das Ende der Unterbrechungspausen an.

Konzeption von THT-Produktionslinien

Den Auftakt machte Philipp Fischer, Siemens, der über die vollautomatisierte THT-Produktionslinie mit Siplace-Bestückern von ASMPTsprach. Die von Siemens erstellte Linienkonzeptionierung fußt auf den Industrieautomatisierungssystemen der SIMATIC-Familie. Fischer stellte beispielhaft das ASMPT-Linienkonzept vor. Integriert sind etwa Magazinentlader und Transportmodule der Firma ASYS, der Bestücker SIPLACE SX von ASMPT und die Selektivlötanlage Selectline von SEHO, die das automatisierte Beladen, Bestücken, Löten, Bürsten sowie die AOI-Prüfung und schlussendlich das Entladen in der Linie bewerkstelligen. Fischer griff spezifische Aspekte der automatisierten THT-Produktionslinie heraus und wies insbesondere auf die gestiegene Varianz der Bauteile hin, die auch durch Sonderformen die Komplexität der Bestückung enorm erhöht. Dies beflügele laut Fischer Innovationen bei der Linienkonzeptionierung: eine verbesserte horizontale und vertikale Maschinenkommunikation, vollumfängliche Traceability für THT-Bauteile und den KI-Einsatz, etwa zur Reduktion von AOI-‚Pseudofehlern'. Prof. Nowottnick merkte am Ende des Vortrags an, dass THT offensichtlich „noch nicht abgeschrieben“ sei.

Nachhaltiges Lackieren

Manuel Schwarzenbolz, Rehm Thermal Systems, trug zum Thema ‚Nachhaltiges Lackieren' vor. Rehm stellt sich seit Längerem den Herausforderungen, als industrielles Unternehmen nachhaltiger zu werden – schon allein, weil Anfang 2023 die EU-Richtlinie ‚Corporate Sustainability Reporting Directive' (CSRD) in Kraft trat. Dies erfordere einerseits bei den Unternehmen jeder Branche ein sinnvolles Umdenken, führe aber auch zu Absurditäten, wenn CO2-Einsparungen als ‚Werbestrategie' ausgerufen werden und auf Plakaten ‚klimapositives' Katzenfutter angepriesen wird. Bei Schutzlacken für Baugruppen (Conformal Coating), die Rehm mit den Dispens- und Coatingsystemen ProtectoXP und ProtectoXC aufbringt, stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit. Das Coating selbst dient dem Schutz und damit der Langlebigkeit empfindlicher Elektronik – gleichzeitig sind VOC-haltige Acrylharzlacke problematisch für Umwelt und Gesundheit. Ökologisch unbedenklicher sind wasserverdünnbare Beschichtungslacke; bei biobasierten Materialen wird der Erdölanteil sogar ganz durch nachwachsende Rohstoffe ausgetauscht. So experimentiere bereits der Autohersteller BMW mit biobasierten Industrielacken. Noch aber sei ihr Einsatz nicht wirtschaftlich. Schwarzenbold ging weiterhin auf UV-härtende Schutzlacke ein, die lösemittelfrei und chemisch beständig seien. Aber auch sie verzeichnen Nachteile wie eine höhere Anfälligkeit gegenüber Verschmutzungen, einen höheren Wartungsaufwand und höhere Materialkosten. So sei bei den zur Härtung nötigen Quecksilberdampflampen der Energieverbrauch hoch –bislang könnten sie nur bedingt durch LED-Technik ersetzt werden. Es gebe, so stellte Schwarzenbold klar, im industriellen Bereich bislang keine Alternative zu Quecksilberdampflampen – und so stand am Ende des Vortrags ein Fragezeichen: Mit welchen Schritten lässt sich die Ökobilanz beim Conformal Coating tatsächlich verbessern? Die Ansätze sind vielversprechend, aber noch ist die Industrie nicht am Ziel.

Einblick in die Halbleiterfertigung

Dr. Florian Schall, Carl Zeiss SMTDr. Florian Schall, Carl Zeiss SMTDr. Florian Schall, Carl Zeiss SMT (Semiconductor ManufacturingTechnology), begann fast entschuldigend seinen eher fachfremden Vortrag zur Halbleiterfertigung – dabei ist angesichts zunehmender Halbleiter-Fabs im europäischen Raum das Interesse enorm. Schall gab einen Einblick in Lithographieverfahren bei der Fertigung von Halbleiterchips. Für den Partner ASML, einem bedeutenden niederländischen Anbieter von Lithographiesystemen für die Halbleiterindustrie, liefert Zeiss die Optiken. Schall führte die Grundlagen der Herstellung von Mikrochip-Wafern auf, nannte aber auch die Veränderungen dieser Technologie. Dass inzwischen bei der Belichtung Spiegel statt Linsen eingesetzt werden, da sie kein Licht absorbieren, war sicher nicht jedem geläufig – und ebensowenig, dass diese Spiegel immer größer und schwerer werden, um ihre Präzision im Pikometerbereich zu verbessern. Hier deutete Schall an, dass man schon so oft vor der ‚magischen physikalischen Grenze' gestanden habe, an der eine weitere Verbesserung laut Gesetzmäßigkeit undenkbar schien. Stets aber sei man bei Zeiss eines Besseren belehrt worden. So hätten bisherige DUV-Lithographiesysteme Licht mit einer minimalen Wellenlänge von 193 nm genutzt. Inzwischen weise extrem ultraviolettes Licht (EUV) eine 15-mal geringere Wellenlänge von 13,5 nm auf und ermöglichte Chipstrukturen, die 5.000-mal dünner als ein menschliches Haar seien. Die Grenzen des Machbaren werden also immer weiter verschoben. Bei der Lithographie breche das Ångström-Zeitalter an: Ein Ångström, Einheitenzeichen Å – so benannt nach dem schwedischen Physiker und Astonomen Anders Jonas Ångström – ist eine in der Spektroskopie verbreitete Längeneinheit in der Größenordnung eines Atomdurchmessers. Wie stark diese Mikroskopisierung die Halbleiterfertigung verändert – und in Folge die Leiterplattenfertigung und die surface mount technology (SMT) – lässt sich nur erahnen.

Punktgenaues Erhitzen und Niedrigtemperaturlöten

Ronald Klaus von Nordheim, Wattron, beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem digitalen Heizen (digital heating). Matrixheizsysteme, bei denen viele kleine, einzelne Heizelemente punktgenaues Erhitzen zu unterschiedlichen Temperaturen ermöglichen, kämen vorwiegend in der Lebensmitteltechnik zum Einsatz. Er käme eben, wie von Nordheim scherzend anmerkte, aus einem Bereich des Packaging, der sich grundlegend von jenem der Elektronikfertigung unterscheide. Aber digitale Heizsysteme aus der Lebensmitteltechnik eröffneten auch für thermosensible Bauelemente neue Möglichkeiten, etwa im Bereich der 3D-Elektronik. Hier ist das Projekt ‚Origami' zu nennen – es wurde ausführlich in der PLUS Ausgabe 3/2023 vorgestellt.

Markus Braun, Trainalytics, sprach in seinem kompakten Vortrag über Niedrigtemperaturlöten – ein Dauerbrenner bei WgidT. Als Anbieter von Schulungen und Trainingsprogrammen für die Elektronikfertigung bietet Trainalytics entsprechendes Expertenwissen aus den Bereichen Werkstoffkunde, Werkstoffmechanik, Elektrotechnik, Prozess- und Prüftechnik an. Bei der Montage stark temperaturempfindlicher Bauteile kommen bleifreie Lotlegierungen auf Basis von Zinn und Wismut zum Einsatz. Wie sich Niedrigtemperaturlöten auf die Zuverlässigkeit von Lötverbindungen auswirkt, ist ein vieldiskutiertes Thema, das Braun nur anreißen konnte.

Unglückliche Bauteile

Übertraf sich in diesem Jahr selbst: Helge Schimanski, Fraunhofer-Institut ISITÜbertraf sich in diesem Jahr selbst: Helge Schimanski, Fraunhofer-Institut ISITHöhepunkt von WgidT war an diesem Tag der Vortrag von Dipl.-Ing. Helge Schimanski, Fraunhofer-Institut für Siliciumtechnologie ISIT. Schimanski, den man als eine feste Größe des Expertenseminars bezeichnen darf, gewährte einen Einblick in die Fehleranalyse als Grundlage für zuverlässige Elektronik – in Zeiten des Bauteilemangels und der seitdem gehäuft anzutreffenden Fake-Komponenten oder der umdeklarierten minderwertigen Ware, deren Aussehen, Verpackung und Begleitpapieren eine originale Herkunft simulieren – bis Leistung und Verarbeitung sie entlarven. Sie auszusieben erfordert erhöhte Wachsamkeit. Schimanski präsentierte sprechendes Bildmaterial und scherzte über „fehlende Beinchen“ oder gebrochene Verbindungen, die einen Sensor wie Pacman mit heruntergezogenen Mundwinkeln erscheinen ließen (Schimanski: „Dieses Bauteil sieht nicht glücklich aus.“). Er pries die Fehleranalyse als Grundlage für Qualität, Zuverlässigkeit und garantierte Funktionsweise elektronischer Produkte im Produktlebenszyklus. Röntgenanalyse, Metallographie, CT, Flächenschliff- und Querschnittschliffanalyse stehen am Anfand der Ursachenforschung. Ob sich entdeckte Fehler verhindern, vermeiden oder per Rework beheben lassen, steht dabei auf einem anderen Blatt. Fazit: Umfassende Darstellung eines anhaltend wichtigen Themas der Baugruppenfertigung – vorgetragen von einem besonders gut gelaunten Helge Schimanski, der als Redner voll aufblühte.

Der Tag endete mit einem Buffet im Biergarten des ‚Mighty Twice' und einem besonderen Abend-Special: In Kleingruppen versuchten die Teilnehmer ausgewählten Hotelzimmern durch detektivische Deduktion zu entkommen – eine Art ‚Escape-Room' light und originelle Abwechslung zu üblichen Standards solcher Abendveranstaltungen.

Zwar mussten wir den zweiten WgidT-Tag aus Zeitgründen auslassen – doch auch wenn organisatorisch manchmal noch Konfusion herrschte, äußerten sich die meisten Besucher auf Nachfrage positiv.

„Dieses Bauteil sieht nicht glücklich aus.“
Dipl.-Ing. Helge Schimanski

‚Wir gehen in die Tiefe' wird als Expertenseminar ein klingender Name bleiben (schon allein wegen Prof. Nowottnicks kultiger Glocke), und die PLUS wird interessiert verfolgen, wie sich die Veranstaltung weiterentwickelt.

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