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Mittwoch, 07 Juni 2023 11:59

„die kertz ist vff den nagel gebrant“

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Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten
Bekanntlich ist bei Messer, Gabel, Schere, Licht Vorsicht geboten. So auch bei Kerzen – wer nicht achtgibt, dem brennt es schneller auf den Nägeln, als ihm lieb ist Bekanntlich ist bei Messer, Gabel, Schere, Licht Vorsicht geboten. So auch bei Kerzen – wer nicht achtgibt, dem brennt es schneller auf den Nägeln, als ihm lieb ist Bild: DUBOVTSEV/AdobeStock

Ob nun die Redewendung ‚auf den Nägeln brennen' aus dem mönchischen Bereich stammt oder aber aus der Folterkammer, wird wohl nicht mehr zu klären sein. Auch Sagen und Märchen werden zur Herkunft herangezogen. Unangenehm muss es auf alle Fälle gewesen sein, wenn man zu eifrig bei der Andacht war oder unaufmerksam. Heiß wird es auch im Reflowofen: die Temperaturen müssen über den Schmelzpunkt der Legierung gebracht werden, damit Benetzung und eine Lötstelle entsteht. Andererseits muss man aufpassen, dass es nicht zu warm wird, denn dann leiden Bauteile und Leiterplatten.

Die Frage, wie man so etwas kontrolliert, haben sich die Löter und Gerätehersteller schon öfters durch den Kopf gehen lassen. Alleine schon eine mehrstufige Konvektionsanlange so zu gestalten, dass die verschiedenen Module tatsächlich über längere Produktionszeiten stets die eingestellten Temperaturen halten, ohne sie über verschiedene Zonen zu verschmieren, gelingt nicht allen Ingenieuren.

Zum Glück hat jemand die Temperaturen entdeckt und dafür Skalen erfunden. Also messen wir in Celsius [2] oder Fahrenheit [3] oder wissenschaftlich in Kelvin [4]. Jedoch arbeitet man in einem solchen Ofen natürlich nicht mit dem althergebrachten Quecksilberthermometer, sondern mit moderneren Mitteln.

Bevor man jedoch mit solcher Arbeit anfängt, muss man einige Details klären. Zuoberst steht die Frage was man erreichen will. Dazu muss man die Baugruppe gut studieren und die Eckdaten für thermisch empfindliche Bauteile und für die Leiterplatte recherchieren. Das bezieht sich auf die Temperatur sowie die jeweilige Verweildauer. Einen wesentlichen Einfluss auf eine erstrebenswerte Temperaturkurve hat die Paste, die aus einer Metalllegierung sowie dem ‚Flussmittel' besteht, wobei unter Flussmittel eine erkleckliche Anzahl Chemikalien zu verstehen ist.

Wie bei Bauteilen hat auch das Flussmittel gewisse thermische Vorgaben, d. h. Temperaturen und Verweilzeiten, bei denen es reagiert, und andere, bei denen es versagt. Das eine erwünscht, das andere gefürchtet – und alles ist seit der bleifreien Technik viel kritischer.

Mit diesen Kenntnissen versehen zeichnet jetzt die Lötexpertin eine hübsche Kurve, die idealerweise von der Baugruppe im Ofen nachvollzogen wird.

Thermisches Profil; Bild: PhoenixTM/SolderstarOb ein Profil für mehr als eine Baugruppe gefahren werden kann, muss untersucht werden. Seitdem die Anforderung ‚bleifrei' gilt, werden jedoch derartige ‚Familien' immer kleiner, so dass das Mischen unterschiedlicher Produkte auf einer Linie mit Schwierigkeiten und/oder Verzögerungen einhergeht.

Es wäre natürlich zu schön, wenn die Idealkurve auf Anhieb gelänge, denn alleine schon die Massenunterschiede, die sich normalerweise auf der Baugruppe zeigen, stehen dem entgegen. Zudem ist klar, dass es eine Abhängigkeit der Erwärmung zwischen bestrahlter oder geheizter Oberfläche und innerem Volumen gibt. Deshalb erwärmen sich Baugruppen am Rand schneller als in der Mitte, was auch für Bauteile gilt.

Das Messen der Profile erfolgt bei der Erstellung und Einrichtung der Maschine, muss aber dann auch regelmäßig verfolgt werden. Solche Kontrolle ist wichtig, denn Produkte, die mit Profilen gelötet wurden, die aus dem Ruder gelaufen sind, stellen ein echtes Produktrisiko dar. Wie oft das geschehen muss, hat unter anderem mit Kosten zu tun, denn jedes Mal, wenn ein Profil gemessen wird, läuft kein Produkt durch die Anlage. Neben den Arbeitskosten fallen also auch Produktionverluste an, die erheblich sein können. Dem steht das Risiko defekter Produkte gegenüber.

Nehmen wir an, dass in einer Massenproduktion die Stunde mit 15.000 € zu Buche schlägt (in Shenzhen ‚fällt' bei einigen Firmen alle 15 Sekunden ein fertiger Laptoprechner im Werte von mehr als 1.000 € vom Band), dann verliert das Unternehmen pro Minute 250 €, wenn kein Gerät gefertigt wird.

Messen kann man zwar mit Fahrtenschreibern, aber der Markt bietet eine ziemliche Auswahl an Geräten, die viel Arbeit ersparen können.

Ein weit verbreitetes Messgerät versteckt sich hier unter einer Hitzeisolation, damit die Lötstellen im Innern während der Reise durch die Reflowanlage nicht aufschmelzen; Bild: Electronic Controls Design Inc.Ein weit verbreitetes Messgerät versteckt sich hier unter einer Hitzeisolation, damit die Lötstellen im Innern während der Reise durch die Reflowanlage nicht aufschmelzen; Bild: Electronic Controls Design Inc.

Ein Thermoelement; Bild: Harke/Public DomainEin Thermoelement; Bild: Harke/Public Domain

 

Diese funktionieren mit unterschiedlichen oder spezifischen Thermoelementen, die mit dem Gerät geliefert werden oder aber auch anderweitig erstanden werden können. Mit etwas Geschick kann man hier auch Geld sparen, indem man eine Rolle dieser Drähte kauft und die Elemente selbst herstellt. Beachten muss man, dass es eine Reihe unterschiedlicher Drahtkompositionen gibt, die für jeweils andere Temperaturbereiche angewendet werden. Zudem kommen sie in unterschiedlicher Drahtstärke. Dünnere Drähte haben schnellere Reaktionszeiten und lassen sich einfacher an einer Baugruppe befestigen sind jedoch weniger zugfest. Wie man das richtig macht, kann man schnell aus dem Internet lernen – dann aber die Kalibrierung nicht vergessen.

Die Thermolemente müssen jetzt auf der Baugruppe angebracht werden. Hierfür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die sich aber in der Zuverlässigkeit unterscheiden und von Anlöten bis zu unterschiedlichen Anklebemethoden reichen.

Zuerst muss man aber überlegen, ob man eine ‚goldene Baugruppe' fertigt, die mehrmals verwendet werden kann, aber nach einigen Durchläufen dann wohl doch Schrott ist, oder jeweils eine neue Bauguppe zurechtmacht.

Die meisten Geräte haben Anschlüsse für mehrere Thermoelemente – und jetzt muss man sich am greisen Haupt kratzen und überlegen, wo die auf der Baugruppe am besten platziert werden. Im Prinzip versucht man zu erraten wo die heißeste Stelle sein kann und wo die kühlste, die am längsten braucht, um sich zu erwärmen. Dann kommen wohl die empfindlichen Bauteile dran.

Natürlich gibt es auch eher wissenschaftliche Methoden diese Stellen zu finden, wie etwa Thermo- oder Infrarotphotographie.

Misst man nun nur auf der Oberseite des Bauteils oder auch darunter, denn bei großen Körperflächen sollte man doch wissen ob die Kügelchen darunter die geforderte Temperatur erreichen?

Um sicherzustellen, dass die Thermoelemente auch dort gelandet sind, wo man sie haben will, helfen Röntgensysteme. In einigen Fällen wird man sogar durch die Leiterplatte bohren, um den Sensor genau dort anbringen zu können, wo man ihn haben möchte.

Es gibt eine Reihe von Tricks, mit denen man sich das Leben vereinfachen kann, wie etwa das Führen der Drähte. All das wird in kostenfreien Seminaren von Geräteherstellern verklickert, die ebenfalls im elektronischen Medium angeboten werden.

T/E mit Alu-Band geklebtT/E mit Alu-Band geklebt

T/E angelötetT/E angelötet

T/E mit Epoxid geklebtT/E mit Epoxid geklebt

T/E mit Kapton Band geklebtT/E mit Kapton Band geklebt

Bild: K. I.K. Thermal

Zur Person

Prof. Rahn ist ein weltweit tätiger Berater in Fragen der Verbindungstechnologie. Sein Buch über ‚Spezielle Reflowprozesse' erschien beim Leuze Verlag. Er ist erreichbar unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, wohin auch Anfragen über In-Haus-Seminare gerichtet werden können.

Refenzen

[1] 1539 – Eberhard Tappe Humanist und Sprichwörtersammler
[2] Anders Celsius (1701–1744) Astronom, Physiker und Mathematiker
[3] Daniel Gabriel Fahrenheit (1686–1736) Physiker, Erfinder und Instrumentenmacher
[4] William Thomson, 1st Baron Kelvin (1824–1907) Mathematiker, mathematischer Physiker und Ingenieur

Literatur

Easy-to-follow instructions for handling of thermal profiling instruments, www.ecd.com
Ed Briggs; Ronald C. Lasky: Best Practices Reflow Profling for Lead-Free SMT Assembly, SMTA China (Shanghai) 2009
Ning Cheng Lee: Reflow Soldering Processes and Troubleshooting SMT, BGA, CSP, and Flip Chip Technologies, Newnes Publishing
Tips on att. thermocouples; Malcom Co., Ltd..
Cameron Sinohui (KIC), A Comparison of Methods for Attaching Thermocouples to Printed Circuit Boards for Thermal Profiling, 23.02.1999, Conference Paper, präsentiert auf der Nepcon West 1999, Session TS-19

Bildquellen

K. I.K. Thermal: www.kicthermal.com
Electronic Controls Design Inc.: www.ecd.com
PhoenixTM/Solderstar: www.solderstar.com

Weitere Informationen

  • Ausgabe: 5
  • Jahr: 2023
  • Autoren: Prof. Armin Rahn

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